
„Wie fühlt es sich an, jetzt, wo es bald los geht? Aufgeregt?“ Ich überlege. Theoretisch gesehen müssten wir uns immer freier fühlen, da wir uns immer mehr von dem berühmten Ballast trennen, unserem Hab und Gut. Nein, natürlich nicht all unser Hab und Gut. Aber die Dinge, die unsere Reisekasse füllen. Und das macht erstmal traurig. Ich gebe Dingen nämlich gerne einen Namen, so kann ich eine persönliche Beziehung aufbauen. Klingt schwachsinnig, ist es auch und sollte man vielleicht nicht tun, um sich nachher besser davon trennen zu können. Aber Dinge, an denen mein Herz sehr hängt, haben eben Namen. So auch Knut....

...Knut ist ein 123er Mercedes Kombi in der Farbe Hansa-Blau, Baujahr 1982. Und in eben diesem Auto haben Till und ich uns das erste Mal geküsst. Wir waren eigentlich auf einer Party, aber haben
die ganze Nacht zu Zweit in diesem Auto verbracht. Lachend. Und zwar so sehr, dass uns die Tränen runter liefen und wir Bauchschmerzen bekamen. Zwischendurch wurde geknutscht, aber auch nur, um
kurz die Lachmuskeln zu entspannen. In dieser Nacht entstand auch mein neuer Name „Heidekraut“ - der Titel „Prinzessin“ ist erst etwas später dazugekommen. Knut war einer von Tills
Liebhaber-Mercedes-Autos und für mich geradezu prädestiniert um nach unserer Reise als Familienkutsche zu dienen. Meine Familienkutsche – versteht sich – Till hat ja meist immer Firmenwagen. Und
ich würde so lässig in diesem Auto aussehen, unsere zwei potentiellen Kinder hinten drin und aus dem Kofferraum guckt Ole mit seiner kalten Hundenase. So wollte es meine Fantasie. Die Realität
sieht ernüchternd anders aus. Und so wurde Knut vor ein paar Wochen auf dem Hänger vom Hof transportiert, fährt nun unter holländischem Kennzeichen und macht andere Menschen glücklich. Und ich
bin irgendwie traurig. Und Till auch. Sein zweites Liebhaber-Stück: ein Strich 8 in Herbst-Beige. Diesen Bauerndiesel hatte er in den letzten 10 Jahren aufwendig restauriert, überholt,
gesandstrahlt, neu lackiert und dann zwei Jahre in einer Scheune bzw. Tiefgarage abgestellt. Gefahren wurde sehr selten und wenn dann nur bei Sonnenschein. Also irgendwie fünf Mal in den letzten
zwei Jahren. „Davon wird er auch nicht besser“; sagte Till und so siegte die Vernunft über die Liebe zu seinem Strich 8 und der Benz landete für einen guten Preis bei Mobile.de. Es dauerte auch
hier nicht lange, da hatte ein Berliner erkannt, dass der Strich 8 ne Wucht ist und nun ist auch dieses Schätzchen verkauft. Und Till traurig. Ich auch, aber eher, weil Till sehr traurig ist. Der
Strich 8 hatte von mir keinen Namen bekommen. Wobei ich ihn wahrscheinlich „das Sofa“ genannt hätte. Dieser Name würde das Fahrgefühl am besten widerspiegeln, das ich hatte, als ich ihn zum
ersten und letzten Mal vor ein paar Tagen auf dem Weg zu seinem neuen Besitzer nach Berlin fahren durfte. Die Zeit war intensiv, aber dann doch zu kurz für eine persönliche Bindung.
Dann gibt es da noch mein Klavier. Es heißt Krauss und das schon seit 83 Jahren. Und wenn es schon einen Namen hat, der 1926 in weißen Lettern draufgeschrieben wurde, sollte man ihm keinen neuen
geben. Krauss ist schwarz matt, schlicht und trotzdem elegant mit zwei schönen Kerzenleuchtern und einem vollen Klang. Es wurde aus Hannover in den 4. Stock meiner Altbauwohnung in Hamburg
geschleppt, hier wieder runter, um zurück nach Hannover zu kommen und nun verlässt es mich und geht in meine Heimatstadt Bremen. Ich glaube 5. Stock – Dachgeschoss, Innenstadt. Es wird es dort
schön haben. Dennoch habe ich das Gefühl, ich mag nicht mehr auf ihm spielen, bevor es in einer Woche abgeholt wird. Eine gewisse Distanz macht die Trauer vielleicht nicht ganz so hart.

Für morgen haben sich zwei Interessenten für Gloria angemeldet. Für die, die unseren Blog zum ersten Mal lesen: Gloria ist eine Schönheit, die 1978 als Käfer Cabriolet vom Band ging. Brazilian Brown Metallic mit beigem Verdeck, beigen Ledersitzen mit brauner Paspel, Holzlenkrad. Alleine der Anblick ist so unglaublich schön und stimmig – es passt einfach alles perfekt zusammen. An Oles Geburtstag vor 2 Jahren fuhren wir nach Leonberg um sie abzuholen. Ole war natürlich dabei – saß ganz brav im Kofferraum vom Golf.. Ole bekam einen Geburtstagskuchen vom Mc Cafe und jede Menge Trink-, Ess- und Pinkelpausen auf dem Hin- und Rückweg. Er hätte sich damals wahrscheinlich besseres gewünscht als an seinem Geburtstag 18 Stunden im Auto zu sitzen, aber wir hatten uns zu Weihnachten den Käfer geschenkt und wollten Gloria schnellstmöglich bei uns haben. Die ersten Wochen fuhren wir mir ihr im Kreis durch den Garten – sie war noch nicht angemeldet. Es dauerte auch noch 3 Monate, bis wir das konnten, schließlich feierte sie dann erst ihren 30. Geburtstag und konnte so als Oldtimer eingetragen werden. Nun ist sie aufgerüscht mit neuem Verdeck bereit für einen neuen Besitzer.

Es war klar, dass der Tag kommen würde, denn schon zu Beginn, als unsere Reise erst noch wilde Spinnerei war, musste Gloria bereits als potentielles „Reise-Sparbuch“ herhalten. Trotzdem ist es ein komisches Gefühl. Irgendwie wird alles gerade so real, denn der zweite Interessent für morgen hat bereits angekündigt, dass er das Geld bereits zum Termin mitbringen wird, um sie sofort mitzunehmen, wenn die erste Interessentin nicht schon zuschlagen wird. So müssen wir uns von ihr wohl morgen verabschieden. Schneller als gedacht. Traurig? Ja. Aber mit all diesen Verkäufen sind wir unserer Reise wieder ein ganzes Stück näher – und das fühlt sich wirklich großartig an!
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