
Dass eine kleine unscheinbare Wiese am Ende der Türkei eine große Bedeutung in der Welt der Overlander hat, würde wahrscheinlich selbst die Wiese nicht für möglich halten, wenn sie es nicht besser wüßte. Sie ist Dreh- und Angelpunkt der Reisenden aus oder in den Iran, das erste oder letzte kleine Stückchen Türkei, je nach dem, von wo man gerade kommt. Die meisten kommen aus Westen und wollen, wie wir, weiter nach Osten, nach Indien und Nepal. Wenn keine Camper Cars oder Allrad-LKWs auf ihr stehen, würde man sie lediglich für den mehr oder weniger hübschen Outdoorbereich des ansässigen Restaurants halten. Aber Murat Camping, so ihr offizieller Name, wurde nicht nur in einem unserer Reisebücher erwähnt, sondern auch wärmstens von Dani und Uwe empfohlen. Dass wir dort allerdings Reisende treffen würden, dachten wir nicht. Wir waren die Nachzügler. Alle, von denen wir wußten, waren früher losgefahren und bereits in Indien angekommen.

Wir ächzten mit unserem Frosch den Berg hinter der Grenzstadt Dogubayazit hoch. Ob das hier wirklich noch kommt? Die kleine unscheinbare Wiese schien etwas schüchtern zu sein, nur ein einziges Plakat auf dem Weg verriet, dass wir richtig sein mussten. Vielleicht wollte sie dem Ararat, dem höchsten Berg der Türkei und dem Berg an dem die Arche Noah anlegte, auch nicht den Rang ablaufen. Der schneebedeckte Ararat, direkt hinter Dogubayazit, hatte schon etwas von gewaltiger Schönheit, der man ein paar Minuten innehalten musste. Dann waren wir da, an der kleinen Wiese mit den Plastikstühlen und Tischen. Wir waren mehr als richtig. Schon beim ersten Blick erkannten wir die Hilde! Die Hilde ist der MAN LKW von Anja und Chris, die das Reisefeld von hinten aufgerollt hatten und den Weg über Russland, Mongolai, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan in den Iran und von hier direkt zum bedeutenden Murat Camping gemacht hatten! Sechs Monate hatten sie bis hierher gebraucht und hatten ihr Erlebnissbuch für abendfüllende Geschichten mehr als gefüllt. Wir hatten per Email schon Kontakt gehabt und uns locker für den Iran verabredet. Meine Email vom Vortag, wo sie denn stecken würden, hatten sie noch gar nicht lesen können. Wer braucht schon Emails oder Rom, wenn eh alle Wege zu Murat Camping führen? Im Dunkeln hatte ich das Hymermobil der Holländer noch gar nicht erkannt. Doch am nächsten Morgen stellte ich fest: in den hellgünen Oldschool Camper hatte ich in Thessaloniki schon ganz neugierig durchs Fenster geschaut, als er direkt hinter uns am Straßenrand stand. Und wohin führt der Weg der Holländer nach Murat Camping? Natürlich nach Indien! Die Holländer verließen uns am nächsten Tag, doch die Hilde und der Frosch blieben nicht lange allein. Ein Fahrrad gesellte sich zu ihnen und zu uns Matthias. Ein Deutscher mit Gitarre auf dem Gepäckträger, der mal eben so nach Indien radelt. Okay, ab und an würde er auch mit Bus und Bahn fahren, ganz verrückt sei er ja nicht. Dennoch kamen wir LKW Fahrer uns dann doch plötzlich so normal langweilig vor, einfach nur in den eigenen vier Wänden zu fahren und dann noch nicht mal Platz für eine Gitarre zu haben und er klemmt sich das sperrige Instrument einfach auf den Gepäckträger. Verrückte Welt! Er erzählte uns von einem Schweizer mit Reisebus und Motorradgruppe, die er vor ein paar Wochen getroffen hatte. Schweizer? Reisebus? Motorradgruppe? Ganz klar Marco! Mit ihm stehen wir seit einigen Monaten in Kontakt und konnten erzählen, dass er und die Motorradfahrer sicher in Indien angekommen waren. Über Marco hatten wir Kontakt zu einer Engländerin mit Ambulance-Bus, die eine Zeit mit zwei Belgierinnen unterwegs war. Nach diesen ganzen Zufällen scherzten wir mit Anja und Chris bereits über unsere Neuankömmlinge. Zwei Mädchen hatten im Apartement eingecheckt. Ob das wohl die zwei Belgierinnen sind? Natürlich waren sie es. Jetzt fehlte eigentlich nur noch die Engländerin, die von uns wußte, dass wir in Dogubayazit auf dem Campingplatz waren. Aber scheinbar funktioniert diese Wiese nur per Zufall. Die Engländerin kam nicht.
Drei herrliche Tage verbrachten wir mit strahlendem Sonnenschein und nachts mit Eiseskälte, Standheizung, Schnupfen und Halsweh. Statt aber, wie Anja und Chris tagsüber einfach zu entspannen oder ein Buch zu lesen, muddelten wir den ganzen Tag herum. Ein Anblick, über den Anja herzlich lachen konnte, kam er ihr doch sehr bekannt vor. Es gab einiges für uns zu tun, schließlich mussten wir die wertvollen Tipps der beiden ja sofort in die Tat umsetzen. Wir spielten Fälscherwerkstatt vom Feinsten: ich scannte unsere Dokumente ein, druckte sie aus und endlich kam auch mal das Laminiergerät zum Einsatz. Mit all diesen Hilfsmitteln hatten wir innerhalb kürzester Zeit perfekte Kopien: auf der Vorderseite der Personalausweis, auf der Rückseite das jeweilige Visum, beides hübsch einlaminiert und mit runden Ecken ausgeschnitten. Alles in mehrfacher Ausführung. Tills Fahrzeugschein ist jetzt größer als normal, aber das wissen die Polizisten im Iran und in Pakistan ja nicht, genauso wenig, dass die Führerscheine eigentlich Check-Karten sind. Für die Cops sind es jetzt halt einfach einlaminierte Karten mit Vorder-und Rückseite. Warum dieser ganze Aufwand? Die Polizei ist sehr aufdringlich, besonders vor der Grenze zu Pakistan. Haben diese unsere Original-Pässe in der Hand, haben sie auch uns in der Hand und wir sind ihnen ausgeliefert. Eine perfekte Kopie, von der sie nicht wissen, wie das Original aussieht, gibt uns ein sicheres Gefühl. Zur Not können wir auch ohne unsere Ausweise weiterfahren. Unsere Original-Pässe holen wir ab jetzt nur noch an der Grenze und, wenn es vorkommen sollte, im Polizeigebäude heraus. Aber niemals bei normalen Polizeikontrollen auf offener Straße. Des Weiteren gehört jetzt auch ein einlaminiertes Foto vom Inneren des Frosches zu unseren Unterlagen. Das erspart uns, laut Chris, einen unnötig neugierigen Blick in den Frosch.
Seit Murat Camping haben wir nicht nur perfekte Kopien in der Tasche, sondern auch endlich den von Till auf 12V umgebauten, beleuchteten kleinen Globus vorne auf unserem Armaturenbrett! Nach eineinhalb Monaten war es auch wirklich an der Zeit, dass der Globus aus seiner Kiste unter dem Bett hervorkommt und endlich präsentativ auf dem Balkon leuchtet. Und dies verdanken wir auch nur dem plötzlichen Wasseraustritt aus dem Boiler. Wäre dies nicht fünf Minuten vor unserem eigentlichen Aufbruch zur Grenze am Freitagmittag aufgefallen, wären wir nicht noch einen Tag länger geblieben. Dann hätten wir weder festgestellt, dass das Ventil vom Boiler nicht dicht ist, noch hätten wir den leckeren von Chris gekochten Pudding genießen können und der Globus läge immer noch störend unterm Bett. Manchmal haben Dinge auch einfach ihren Sinn und Zweck.
Unserer Internetsucht konnten wir in Dogubayazit leider nicht nachgehen. (Welchen Sinn und Zweck das haben soll, verstehe ich allerdings nicht...) Die aufgerufenen Seiten waren plötzlich gesperrt, selbst unsere Frosch-Laster Seite konnten wir nicht mehr öffnen. Sehr schade, denn die drei letzten Reiseberichte waren komplett hochlade-fertig und wir wollen unsere Leser ja nicht durch lange Pausen vergraulen!
Leider trennten sich die Wege von Hilde und dem Frosch wieder. Für uns ging es weiter in den Iran, auf Anja und Chris warteten in der Türkei neue Reifen und mindestens eine Woche Strandurlaub irgendwo im Süden, bevor die beiden dann weiter Richtung Ägypten fahren wollen. Schade, dass sich unsere Wege erstmal nicht mehr kreuzen werden. Wir hätten uns sehr über eine Fortsetzung der drei Tage gefreut!
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Jan (Sonntag, 22 November 2009 12:53)
Hallo Ihr drei,
das mit den Ausweiskopien hatte wir mehr oder weniger auch vor. Doch wars nicht nötig - ich musste auch nie meinen Papieren nachrennen.
Oh, doch, einmal wollten sie 100$ und "beschlagnahmten" sie alle Papiere. Die Aktion hat keine 5min gedauert, dann konnten wir mit Papieren und 0$ "Strafe" weiterfahren. Mit Ausweiskopieren wäre ich auch nicht weitergefahren, da sie ja dann immerhin auch unsere kompletten Daten haben und dies sicherlich als Provokation gesehen hätten.
Das Laminiergerät verschenken wir jetzt unbenutzt in Nepal. :-)
Schön, dass Ihr so viele Leute beim Murath-Camping getroffen habt. Vielleicht solle man noch erwähnen, dass der Campingplatz an sich keine Empfehlung wert ist, aber eben ein sehr guter Treffpunkt!
Wir hatten dort nur kurz Schweizer mit einem riesigen WoMo getroffen, denen es aber zu schmuddelig war und weitergefahren sind.
Weiterhin gute Reise!
Jan
Hase (Sonntag, 22 November 2009 16:47)
Es gibt ja noch "Verrücktere" als ihr es seid ;) Mit dem Fahrrad - und jede Nacht nach einer Unterkunft suchen - oh, je. Da habt ihr ja richtigen Luxus! Mit dem Lesen hat man jedesmal das Gefühl man ist mittendrin!
Milena (Dienstag, 01 November 2011 19:05)
Der Beitrag ist echt toll geschrieben und es macht immer wieder Spass hier bei Euch vorbeizuschauen. Schön zu lesen, was ihr so erlebt.
Bergsportwelt (Donnerstag, 09 Juni 2016 13:58)
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