
Gibt es für unproblematische und schnelle Grenzübertritte aus der Türkei in den Iran einen bestimmten Tag in der Woche? Oder gibt es entspannte Grenzbeamte und wenn ja, wann arbeiten sie? Wir wissen, bei beiden Fragen lautet die Antwort: Nicht am Samstag! Vielleicht hatte unser Zollbeamte sich am Freitag (dem iranischen Sonntag) überlegt, dass er es in der neuen Woche richtig krachen lassen würde. Vielleicht hatte er Ärger mit seiner Mutter, weil er zu wenig Geld mit nach Hause brachte. Vielleicht war er aber auch immer so drauf, denn man konnte sich bei ihm eigentlich gar keinen anderen Gesichtsausdruck als diese bagalutenhafte grimmige Mimik vorstellen.
Es hatte alles sehr entspannt angefangen. Wir waren schnell aus dem türkischen Bereich der Grenze raus und wurden samt unserer Papiere in das Gebäude auf der Seite des Irans in ein Touristenbüro geführt. Wie nett, dachten wir, man kümmert sich und will dafür noch nicht mal Geld! Wir wurden über sämtliche Dinge aufgeklärt, die Tankkarte, die man bekommt (leider sagte er nicht wo), das iranisches Kennzeichen, das einem aufgedrückt wird (von dem danach allerdings nie wieder die Rede war) etc. Alles nett, aber im Nachhinein völlig unbrauchbar, wie wir feststellten. Während der Grenzprozedur hatte ich nichts an Tills Seite verloren (ich bin ja auch eine Frau) und hatte die Möglichkeit im Touristenbüro zu bleiben, oder zurück in den Frosch zu gehen. Die Wahl war klar. Till kam kurze Zeit auch wieder zum Frosch und wartete samt Carnet de Passage (dem Zollpapier für Zollfreie Ein- und Ausfuhr des eigenen Fahrzeugs) auf den Grenzer und seine Unterschrift. Aber der Grenzer ließ sich Zeit. Viel Zeit. Endlich kam er. Aber ihn interessierte weder Kennzeichen noch Motor-bzw. Fahrgestellnummer, ihn interessierte einzig und alleine, was sich alles im Frosch befand.
Er machte meine Beifahrertür auf, stieg auf das Trittbrett und rammte sich ordentlich den Kopf am Frosch, als er das Handschuhfach öffnete. Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort und Allah anscheinend auch, wie man sieht. „Eine dicke Beule sollst du bekommen“, hoffte ich, als er anfing, alles zu durchwühlen. Er fand unsere beiden kleinen Digitalkameras und war plötzlich der Meinung, eine würde für uns ja reichen! Er schaute sich beide ganz genau an, entschied, dass ihm die blaue besser gefallen würde und meinte, diese würde jetzt ihm gehören! Ich schob langsam die große Nikon Kamera unter meinen langen Rock. Die musste er erst gar nicht sehen, seine Gier wäre ins unermessliche gestiegen. Was hätte Allah dazu gesagt? Noch ne Beule? Ich half also nicht nur uns, sondern auch ihm. Er bemerkte davon nichts, er war immer noch zu sehr fixiert auf die kleine blaue Kamera an der er herumfingerte. Dann nahm ich sie ihm wieder weg, packte sie mit einem betonten „No!“ zurück ins Handschuhfach und machte es wieder zu. Was soll Allah denn auch von ihm denken, oder? Nun war er sauer und Till musste die Tür zum Wohnbereich aufmachen. Natürlich wollte er einsteigen und nachsehen, was wir noch so dabei hatten. Wenn es schon keine Kamera für ihn gab. Zwar hatte ich unsere anderen Wertsachen und Dinge, die man nicht in den Iran einführen darf (Bargeld, Laptops, Medikamente, Musik, Filme, Chinaböller) gut versteckt, aber wenn er alles so scharmlos durchwühlen würde, würde er auch vor meiner Unterwäsche nicht halt machen. Um diese Situation zu vermeiden, hatten wir im Vorfeld bereits ein Verbotsschild an der Tür: keine Schuhe! Im Islam hat man schließlich im Wohnbereich immer seine Schuhe auszuziehen und da dies unser Haus ist, hatte er auch sein Schuhe auszuziehen. Ist doch ganz klar! Warum sollte bei uns eine Ausnahme gemacht werden, wenn wir in einem Land sind, wo wir uns an die Regeln des Islam zu halten haben? Natürlich wollte er das nicht, da hier ein dreckiger Hund mit uns leben würde. Darauf hatten wir es mit diesem Schild natürlich abgesehen. Statt aber zu sagen, dass er auf eine Durchsuchung freiwillig verzichten würde und uns durchlässt, war er entsetzt und regte sich wahnsinnig darüber auf. Till blieb stur und der Grenzer knallte die Tür zu. Das hieß: keine Unterschrift. Auf diesen Schock musste er erstmal etwas Essen. Er ging und machte eine lange Frühstückspause!
Ein anderer kam auf uns zu und meinte, wir sollten 50 Dollar bezahlen, dann wäre alles ok. Wir lachten. Das konnte jawohl nicht wahr sein! Wir versuchten es mit 5 Euro, erhöhten auf 10 Euro und dann auf 15 Euro. Der Mann ging zum frühstückenden Grenzer und plötzlich hieß es „welcome to Iran“ samt Unterschrift im Carnet! Keine Ahnung, ob sich der Vermittler einen oder zwei Scheine selber eingesteckt hat. Egal. Hauptsache keine weitere Durchsuchung. Till musste noch einiges im Zollbüro klären und ich konnte beobachten, wie der Grenzer nach seinem ausgiebigen Frühstück jeden so korrupt behandelte. Erst wurde gestritten, dann gab es Geld oder Zigaretten und im Gegenzug die Unterschrift und „welcome to Iran“. Während ich all das beobachtete, wurde plötzlich unsere Seitentür von einem anderen Grenzer aufgerissen. Ole stand sofort bellend da und ich sprang aus dem Frosch und rief, er solle doch bitte mein Haus in Ruhe lassen. Er war sichtlich erschrocken, aber wohl eher von Ole, und ging. Ich glaube, er wollte nochmal unser Schild „keine Schuhe“ sehen, das scheinbar Grenzgespräch geworden war. Ich schloss die Seitentür ab. Es reichte!
Zwei Stunden hatte diese Prozedur bereits gedauert und dann wurde endlich der Schlagbaum für uns hochgemacht. Wir tauschten noch schnell Geld bei der Bank und wollten endlich weiter. Doch nach einem Kilometer stoppte uns der nächste Schlagbaum. Tankkarte? Haben wir nicht. Aber ohne Tankkarte keine Durchfahrt.
Diese Tankkarte war eingeführt, um den Diesel-Schmuggel zwischen den Grenzen in den Griff zu bekommen. Doch es gab für diese Tankkarte kein richtiges System, jedenfalls kein Durchschaubares. Mal verlangen sie 670 Euro wie bei Marco, dann 280 Euro wie bei Chris und Anja. Dann gibt es welche auf dem Schwarzmarkt und der nächste braucht wieder keine. An den Tankstellen bekommt man nur Diesel mit den Karten, aber jeder LKW-Fahrer lässt einen auf seiner Karte tanken. (Wer hier den Durchblick hat, bitte melden!) Wir mussten also nun eine solche Karte bekommen und Till fragte sich durch. Ich, als unbedeutende und verschleierte Frau, konnte eh nicht helfen, da mit Frauen grundsätzlich nicht gesprochen wird. Also blieb ich mit Ole im Frosch und Till war mit den helfenden Männern verschwunden. Ich hoffte, dass er auf dem Schwarzmarkt welche kaufen könnte. Dass man dazu auch noch einen offiziellen Stempel haben musste, wußte ich nicht.
Ich saß also im Frosch, um mich herum standen ein Haufen Männer, die mich beobachteten. Ich beobachtete zurück. Ein Auto wurde nicht durchgelassen. Statt den Schlagbaum zu blockieren, setzte er brav zurück. Ich dachte, er würde den Frosch beim Zurücksetzen schon sehen. Tat er auch! Der Frosch hätte eh gewonnen, dachte ich. Kaum war ich fertig mit Denken, passierte es: der Mann setzte mit Vollgas seinen Wagen die letzten zwei Meter zurück, direkt in die Stoßstange vom Frosch. Ich konnte es nicht fassen. Es rummste, dass der Frosch nur so wackelte. Ich stieg aus und sah, dass die Rückseite seines Wagens komplett eingedrückt war. Wie dumm war das denn jetzt? Ich stieg wieder ein. Was sollte ich auch anderes machen? Der Mann interessierte sich nicht weiter, als ob ich unsichtbar wäre! Ich hoffte, dass Till zurückkommen würde, um diesem Wahnsinn endlich ein Ende zu machen. Doch dieser dauerte noch weiter an, denn Till kam mit der Info zurück, dass die Karte 1100 Euro kosten sollte. Mehr als jemals zuvor! Schwarzmarkt? Keine Chance. Zuviel Polizei, erklärte man Till.
Wir fuhren zurück zum Zollgebäude, hier saß doch der nette Herr vom Touristenbüro. Der sollte uns jetzt mal helfen. Doch auch dieser Mann schien nur eine Fata Morgana gewesen zu sein. Er war nicht mehr da. Es nützte nichts, wir wollten von diesem Grenzhof endlich runter und fuhren wieder zu der Stelle, wo es die Tankkarten gab. Till drückte den Preis auf 405 Euro für 500l Diesel und zahlte. Geschafft! Endlich konnten wir den letzten Schlagbaum passieren.
Versicherung? Ohne Versicherung keine Durchfahrt! Wir blockierten aber bereits die Durchfahrt und hatten wirklich keine Lust mehr. Wozu eine Versicherung, wenn hier eh nur geschmiert wird, dachten wir uns. Wieder die Frage: Versicherung? Tief durchatmen. Versicherung? Klar haben wir die! Ich holte die grüne Versicherungskarte raus und Till überzeugte sie: „Worldwide insurance, worldwide insurance, worldwide insurance.“ Manchmal muss man Dinge öfter sagen, damit der Gegenüber es glaubt. Es funktionierte. Der Schlagbaum ging hoch. Endlich! Nach fünf Stunden hatten wir es geschafft. Was für ein Tag. Doch dass dieser seinen Höhepunkt noch lange nicht erreicht hatte, wußten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht....
(Mehr Bilder haben wir vom Grenzübergang leider nicht...Sorry!)
Kommentar schreiben
NICOLA (Dienstag, 24 November 2009 20:51)
sag nur ganz kurz, was genau ihr mit den chinaböllern plant??? partyhüte habt ihr ja vergessen.....
Bernd (Dienstag, 24 November 2009 21:16)
Sitze beim Frühstück und lese den neuesten Artikel, und aus dem Brötchenkorb grinsen plötzlich iranische Zöllner! Sind zwar in Wahrheit immer noch Mehrkornbrötchen - aber sie wollen auch alle geschmiert werden!
Kurz: Kompliment für Eure Nerven! Bleibt weiter so tapfer! Und dass mir hier nicht noch mal einer von 3 Ct pro Liter Diesel schreibt! Ich konnte den ganzen Tag nicht schlafen!
Nina (Mittwoch, 25 November 2009 15:39)
Wahnsinn!!! Und wo ist nun die Geschichte mit dem SPUK ;-)?!! Ich platze vor Neugier!!!!!
LG!!
Hase (Mittwoch, 25 November 2009 17:48)
Ach du grüne Neune! Die halbe Geschichte kannte ich ja schon - nur muss man wohl besser sagen. Und dabei ist mir schon fast das Herz stehen geblieben. Meine Nerven. ;) Wenn ich nicht wüßte, dass alles wahr ist, dann käme ich mir vor wie in einem "für Hase zu aufregenden Buch/Kinofilm". Wann ich wohl davon träume? Neulich habe ich übrigens davon geträumt, dass ihr jetzt schon genug habt und zurück kommt, der Adac euren Frosch überführen würde. Aber ich konnte es selbst im Traum nicht glauben und Till hat versucht mich zu überzeugen: "Wirklich, Hase! Kein Scheiß!"
RESi (Donnerstag, 26 November 2009 09:47)
Hut ab! Haltet Euch wacker!
Ischtar (Sonntag, 23 Mai 2010 12:03)
Habe erst heute zufällig euren reisebeitrag gelesen. Ich habe als jugendliche in den 60-er Jahren 3 x diese route mit meinen eltern gemacht, und ich muss feststellen, es hat sich anscheinend ÜBERHAUPT NICHTS geändert.
Aber im nachhinein betrachtet, ist es immer wieder eine spaßige erzählung.
Mondenkind (Donnerstag, 15 Juli 2010 10:35)
Bin heute erst auf Euren Blog gestoßen und freue mich riesig darüber! Wir wollen im August 2010 dieselbe Route antreten. Das mit der Tankkarte stimmt also wirklich. Bei den Preisen macht es im Endeffekt wohl kaum einen Unterschied, ob man Benziner oder Diesel fährt.
Ein super Blog. Danke!
Mondenkind (Donnerstag, 15 Juli 2010 10:35)
...sorry, August 2011 meinte ich.
Hans im Glück (Freitag, 01 Juli 2011 21:45)
wir werden Ende Juli 2011 die Strecke über Tehran bis an den Persischen Golf fahren.