
Es waren die längsten Minuten meines Lebens. Ich dachte, ich würde Till nie wieder sehen, dachte, sie würden ihn erschiessen. Doch als er endlich wieder neben mir saß und der Frosch weiterfuhr hatte der Spuk meines Lebens endlich ein Ende. Der Spuk, der so schrecklich war, weil ich nicht wußte: Was passiert mit Till hinter der Mauer?
Wir hatten uns direkt nach dem Grenzübergang dank unseres GPS verfahren. Die Straße wurde immer holpriger und schlechter und wir fuhren auf ein Dorf zu. Wir dachten an nichts Böses und standen plötzlich auf einem Dorfplatz, auf dem sich geschätzte fünfzig Männer, sechzig Jungs und keine einzige Frau im Kreis eine Affenshow (!) ansahen. Doch die Affenshow war nur noch Nebensache. Alle drehten sich um, rannten auf den Frosch zu, umlagerten ihn. Einer der Männer kletterte aufs Trittbrett und redete auf Farsi ins Fahrerhaus. Wir verstanden nichts. Wir versuchten zu erklären, dass wir uns verfahren hätten und wir dahinten umdrehen würde. Man ließ uns machen, denn es ging hier eh nicht weiter.
Doch als wir drehten und zurückfuhren zum Dorfplatz, schrien sie plötzlich „Dür! Dür!“. Das kannte ich, denn das stand auf den türkischen Stop-Schildern. Innerhalb von Sekunden blockierten drei Autos unseren Weg. Ich weiß immer noch nicht wo diese Autos so plötzlich herkamen. Alle standen wieder um uns herum und nun wurde die Fahrertür aufgerissen. Die Männer waren wütend, aggressiv, schrien uns an. Wir verstanden nichts. Das einzige, was ich verstand, war die Kalaschnikov, die einer dabei hatte. Sie war nicht auf uns gerichtet, aber es reichte, um das erste Mal in meinem Leben richtige Angst zu haben. Till musste aussteigen. Ich gab ihm unsere Ausweis-Kopien. Die Männer gestikulierten aggressiv und schrien auf Farsi. Till musste das Fenster hochkurbeln und die Tür wieder zu machen. Sollte ich nichts hören? Dann nahmen sie ihn mit. Hinter eine Mauer. Um mich herum ein Haufen Männer und Jungs, die mich anstarrten und dann auf die Mauer zurannten. Im Gegensatz zu mir, konnten sie sehen, was dort passierte. Sie wurden dort wieder weggescheucht. Sie sollten nicht zugucken. Oh Gott, wobei sollten sie nicht zugucken?
Das einzige, was ich denken konnte war mein Mantra abwechselnd mit „bitte lass mich keinen Schuss hören, bitte lass mich keinen Schuss hören“. Vor mir immer noch die vielen Augen die mich anstarrten. Ich weiß nicht, wie lange ich da saß und zur Mauer starrte, bis Till endlich mit den Männern zurückkam und den Daumen hob, dass alles ok ist. In diesem Moment hätte ich sofort losheulen können. Ich verschob es auf später. (Wie gut, dass ich in der Hagia Sofia den Daumen in der Salzsäule gedreht hatte! Er wurde nicht erschossen!!) Trotzdem war immer noch nicht klar, was passiert war und ich empfand die Stimmung als angespannt. Till öffnete die Tür, erklärte mir kurz, dass einer nicht will, dass wir weiterfahren. Er prüfe noch seinen Ausweis. Till und die Männer gingen noch zweimal hinter die Mauer. Später erfuhr ich, dass sie hier nur hingegangen waren, weil sie hier in Ruhe reden konnten, abseits von all den neugierigen Männern und Jungs auf dem Dorfplatz! Wie Till mir zudem später auch noch erklärte, war dies das Polizeigebäude und hinter der Mauer fing der Polizeihof an. Alle, auch der Typ mit der Kalaschnikov, waren recht freundlich zu ihm. Nach langem Hin und Her schaute noch einer mit Taschenlampe in den Frosch. Dann hatten sie endlich verstanden, dass wir uns mit unserem Camper Car einfach nur verfahren hatten. Sie gaben Till den Ausweis zurück, entschuldigten sich und luden Till zum Tee ein. Der dankend ablehnte. Er wollte auch boß weg hier. Statt uns alleine zurückfahren zu lassen, zeigten sie uns freundlicherweise den Weg auf die Hauptstrasse zurück. Sie stiegen nochmal aus und ließen uns nicht fahren, bevor sie uns nicht auch noch nach Wodka gefragt hatten. Till erklärte, dass wir keinen haben und drückte auf die Tube. Bloß weg hier von dem Spuk meines Lebens! Wir wissen immer noch nicht, warum die Männer so auf uns reagierten. Waren wir für sie Schmuggler? Oder waren wir in ein Schmugglerdorf geraten? Vielleicht hatten wir auch einfach nur ihre Affenshow gestört. Eins ist auf jeden Fall klar, auf der Liste mit Dingen, die uns auf der Reise passieren, können wir den Punkt „Todesangst“ jetzt streichen. Und das ist doch auch mal was, oder..?
GEWINNSPIEL
Wer möchte eine Karte aus dem Iran? Schreibt uns! Ihr könnt ja auch ohne Gewinnspielfrage zahlreich kommentieren, oder? :-))
Wir freuen uns!!
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heinrich (Donnerstag, 26 November 2009 19:28)
gut dass ihr keinen wodka dabei hattet - war vielleicht auch eine falle - alkoholgenuss ist absolut verboten - auch wenn im privaten bereich das nicht unbedingt immer eingehalten wird - na wie ich inzwischen ja per telefon schon weiß, gibt es auch schöne seiten, die ihr im iran entdecken könnt.
lg h.
toby (Donnerstag, 26 November 2009 20:12)
boah. liest sich ja echt wie in einem schlechten film. shvijn gehabt.
Lars (Donnerstag, 26 November 2009 20:26)
Hab den Eintrag gerade auf meinem iPhone empfangen und vor lauter lesen lesen den Zug verpasst. Gut das alles glimpflich abgelaufen ist. Passt auf euch auf !
Hase (Donnerstag, 26 November 2009 21:15)
Hilfe! Gut, dass ich eben gerade vor dem Lesen dieses Erlebnisses mit euch telefoniert und eure fröhlichen Stimme ngehört habe. Sonst hätte ich jetz wirklich Albträume. Passt auf euch auf! HEL
Sis (Freitag, 27 November 2009 10:07)
AAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHH mir ist gerad beim lesen ganz anders geworden. Man man man... bin ich froh, dass alles gut gegangen ist. Was für ein Abenteuer. Drück Dich. Ronja xxx
Nina (Freitag, 27 November 2009 11:35)
Oha. Das ist nichts für schwache Nerven! Werde wohl bald mal eine Kerze für Euch anzünden - damit so was gar nicht erst wieder vorkommt ;-)!!
Annik (Freitag, 27 November 2009 11:40)
Wie?...und von dem Event gibt es keine Fotos, oder
was? ;-) Ich glaube Dir kein Wort!
Take care of yourself!...Annik
Manuela (Freitag, 27 November 2009 11:40)
Man da ist mir doch glatt beim lesen ein Schauer
über den Rücken gelaufen. Hab eine richtige
Gänsehaut gehabt.
Passt schön auf euch auf.
LG
RESi (Freitag, 27 November 2009 12:22)
Dazu fällt mir nur ein Kommentar ein: Alteeer!
@Manuela: genuso ging's mir auch...
Haltet die Ohren steif!!!
Erzengel Gabriel (Freitag, 27 November 2009 12:48)
Ja, solche Erlebnisse rauben einem schon mal das Reisefieber =8( Bin heilfroh, daß Ihr heil seid und froh, daß Ihr darüber berichten könnt. Mein Herz pocht immer noch laut !!!
Bleibt wohl behütet und gesegnet,
Euer Erzengel
anke und konrad (Freitag, 27 November 2009 14:11)
Hallo Ihr beiden "Weltreisenden",
ein riesiges Kompliment für die "Stoische Ruhe", die Ihr bei diesem wahnwitzigen "Spuk" an den Tag gelegt habt. Seid Ihr eigentlich auf dem Laufenden bezgl. der Mitteilungen des Auswärtigen Amtes über die Region Keshan bis Zahedan?
Weiterhin bonne chance.
Konrad und Anke
Fläshing „Still loving Ole“ (Freitag, 27 November 2009 14:33)
"still loving you" von den scorpions läuft grade im radio ;-)
Zittere immer noch und hatte fast Tränen in den Augen vor Angst beim lesen! Boah! das hätte auch echt anders ausgehen können! bin heil froh, dass es euch gut geht und denke oft an euch! liebe grüße und passt auf euch auf!
Dr. Love (Samstag, 28 November 2009 08:44)
Man ich bin stolz auf Euch, gut gemacht Till...
Bernd (Samstag, 28 November 2009 12:18)
Diese Leserzuschrift nach dem Bericht "Wo steckt der Frosch?" in den InderNettNews
http://www.kerala-discovery.de/KD_Web/?000_INN/532091127.htm
willich Euch nicht vorenthalten:
Sibylle aus Duisburg per eMail: "Eine Fahrt auf dem Landweg nach Indien ist auch für mich eines der ganz großen Abenteuer. Ich verfolge die beiden im Frosch auch mit großer Spannung. Das ist das Großartige unserer vernetzten Welt, dass man sozusagen live dabei sein kann. Allerdings bin ich manchmal besorgt, denn Amelie ist zumindest im sprichwörtlichen Sinne kein Frosch. Vielleicht wäre es besser, wenn sie sich etwas bedeckter halten würde, so lange sie noch im Iran sind. Man kann davon ausgehen, dass unter den radikalen Schergen etliche sind, die Deutsch verstehen. Die haben eine andere Auffassung von Meinungsfreiheit als die unbekümmerte Amelie! Nicht dass die beiden Weltenbummler sich eine ungeplante Aufenthaltsverlängerung in staatlicher Obhut einhandeln. Wer füttert dann Ole?
Sichere Fahrt wünscht Bernd!
die Hummel (Samstag, 28 November 2009 12:32)
Ich hab immer noch Tränen in den Augen. Was für eine Scheiß-Situation. Bleibt weiter so tapfer und besonnen!
Tausend Küsse von der Hummel mit dem poofenden Hummelbaby
Nicole Tiarks (Freitag, 04 Dezember 2009 09:28)
definitiv wäre das der Moment gewesen an dem ich völlig ausgerastet wäre!!!! RESPEKT IHR LIEBEN und OBACHT!!!!