Kulturschock?

Ich wusste vorher, was auf mich zukommen würde: Ein weiter Mantel, ein langer Rock, ein weites Oberteil und natürlich ein Kopftuch, das ich immer zu tragen habe. Es sei denn, der Frosch ist komplett abgehängt und man kann mich nicht sehen, dann muss ich die neue Verkleidung nicht tragen. Zudem war der Erfahrungsbericht von Reisenden des weiblichen Geschlechts so, dass man als Frau ignoriert wird. Es wird mit dem Mann gesprochen. Fragt eine Frau, wird entweder gar nicht geantwortet oder man würde die Antwort sofort dem Mann geben. 

Till und ich sind seid der Grenze zum Iran übrigens verheiratet. Eheringe tragen wir nicht, die finden wir zu unbequem. Ach und im dritten Monat schwanger bin ich auch. Diese neuen erfundenen Fakten sollen einiges erleichtern um blöden Frage und Diskussionen aus dem Weg zu gehen.

 

WIE GEHT DIE GESCHICHTE WEITER? HIER!

Als wir den Fin Garden in Kashan besuchten, ließen wir uns unseren ersten iranischen Tee im ansässigen Teegarten bringen. Der Tee schmeckte nach Rosenwasser und als Till fragte, ob da Rosenwasser drin wäre, kippte uns der nette Mann nochmal einen extra Schuss in die Gläser und die Kanne. Es folgte das obligatorische Gespräch: Woher wir kommen. Ob wir Kinder haben. Um der Diskussion aus dem Weg zu gehen, warum wir keine Kinder haben, gab es dann die Geschichte mit der Schwangerschaft, die den Tee-Mann besonders amüsierte. Im dritten Monat wäre ich also. Er sprach die ganze Zeit mit Till. Er guckte mich noch nicht einmal wirklich an. Dann hatte er plötzlich den genialen Einfall, wir sollten dem Kind folgenden Namen geben: „iranischer Tourist“. Super Idee! Das werden wir auf jeden Fall machen!

 

Ich dachte, ich könnte diese neue Verkleidung und die Tatsache, dass man fast immer nur mit Till sprach einfach so wegstecken, Meine Antworten auf ihre Fragen wurden überwiegend komplett ignoriert. Ich dachte, dass ich mich meinem temporären Schicksal als verschleierter Frau einfacher fügen könnte. Doch die Realität sah anders aus. Ständig wurde mein Rock zur Stolperfalle beim Ein- und Aussteigen aus dem Frosch, das Kopftuch musste mit Haarspangen festgeklammert werden, sonst rutschte es wohlmöglich noch runter. Die Enden vom Kopftuch kamen mir ebenfalls ständig in die Quere. Es nervte. Und besonders attraktiv kommt man sich in so einem Sack-Outfit auch nicht vor. Ich versuchte mich nicht aufzuregen und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich mich immer verstecken müsste. Es kam, wie es kommen musste, eine Stress-Situation jagte die nächste und eigentlich ging es immer darum, dass wir in Esfahan keinen Parkplatz fanden. Egal ob es Mittags oder Mitternacht war, man schickte uns weg. Jedenfalls hatte der Polizist, der uns Nachts aus dem Tiefschlaf holte und uns mit Blaulicht einen neuen Parkplatz zuwies, die beste Idee überhaupt. Hier wäre der perfekte und sicherste Parkplatz für uns: Wir standen nun auf dem halb abgesteckten Mittelstreifen einer 4-spurigen Hauptstraße, auf der die LKWs, Autos und Mopeds die ganze Nacht kreuz und quer mit vollem Hupeinsatz und hohem Tempo durch die Gegend fuhren. Super. Aber was sollten wir machen?

 

Das alleine wäre ja vielleicht nicht so tragisch gewesen. Allerdings hatte Till seit einigen Tagen eine Zahn- bzw. Kieferentzündung, die immer schlimmer wurde. Man konnte zusehen, wie die Backe anschwoll. Und ich als Frau konnte nichts machen, weder nach dem Weg fragen, noch Polizisten oder Parkwächtern erklären, dass wir Touristen sind oder ähnliches. Ich konnte noch nicht mal etwas machen, als wir von der Botschaft die Telefonnummer eines Deutsch sprechenden Arztes bekamen. Ich startete zwei Anrufe, doch man legte immer wieder auf! Also musste der gebeutelte Till nun auch noch diesen Anruf erledigen. Natürlich war der Arzt gerade nicht da und am nächsten Tag war Freitag, der iranische Sonntag.

 

Plan B musste her: Wir mussten einen ruhigen Parkplatz finden, wo keiner gegen unser Auto wummerte und uns wieder wegschickte. Es hieß runter kommen und für Till einen Tag Sprechverbot. Wir flüchteten raus aus Esfahan und fanden ganz schnell einen ruhigen großen Parkplatz an der Universität von Esfahan, die direkt am Stadtrand liegt. Hier zeigten die Antibiotika das erste Mal Wirkung und Tills Backe schwoll langsam wieder ab. Auch ich konnte mich langsam wieder beruhigen und neue Kräfte sammeln. Ich weiß nicht, ob man das Kulturschock nennt, Überforderung aufgrund von unglücklich aufeinandertreffenden Umständen oder ob es einfach alles zusammen war. Ich gab dem Iran eine neue Chance und beschloss, mich nicht mehr zu verstecken. Seit dem rede ich mit allen, die mit Till sprechen. Ab und an ist es eine sehr einseitige Unterhaltung, doch immer öfter treffen wir Leute, die sich auch mit mir unterhalten. Und sei es nur die Frage, ob ich Basketballspielerin wäre, weil ich so groß bin.

 

Der Gewinner der Postkarte aus dem Iran ist "die Hummel"! Herzlichen Glückwunsch!

 

 

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Kommentare: 7
  • #1

    from austria (Sonntag, 29 November 2009 16:49)

    du setzt dich selbst zu sehr unter druck wegen dem f***kopftuch.....
    leg dir einen schal (möglichst bunt) über den kopf - das reicht völlig !
    musst nicht wie eine fundi rumrennen.
    und auf die männer die nicht mit dir reden kannst du verzichten, haben eh nix zu sagen was interessant wär....

  • #2

    nicola (Sonntag, 29 November 2009 17:46)

    he amelila, ich finde das kopftuch sieht ziemlich stylisch aus, du kannst einfach alles tragen:-)
    und mit till haben wahrscheinlich alle geredet, weil sie rausfinden wollten ob er mit der fetten schwellung im gesicht überhaupt sprechen kann....
    scheinbar muss bei till auf reisen immer irgendwas anschwellen - letzt mal die hand nun die backe, passt auf euch auf xx

  • #3

    zurken (Montag, 30 November 2009 00:01)

    Wenn ich was empfehlen darf? Ihr werdet vielleicht von Persepolis nach Yadz fahren wollen, nehmt die Strecke über Herat an dem Daryacheh-e Tashkt Salzsee entlang, dann von Tabas nach Khor auch sehr schöne Landschaft, in Khor gibt es das Kavir-Guesthouse, könnt ihr mit dem Auto reinfahren, sehr nette Leute.

  • #4

    Tina (Dienstag, 01 Dezember 2009 14:21)

    seit dem 1.12.09 gelten neue Reisewarnungen fuer den Iran
    seit n bischen vorsichtig wie/was ihr blogt/twittert solange ihr dort seid....
    hier ein Auszug aus dem Text des AA:

    Fotografieren und Filmen (auch mit Mobiltelefon) sollte insgesamt restriktiv und mit der gebotenen Sensibilität gehandhabt werden. Auch hier sind dem Auswärtigen Amt Fälle bekannt geworden, in denen Touristen Kameras abgenommen und sie vorübergehend festgenommen wurden, da sie verdächtigt wurden, öffentliche Gebäude oder Demonstrationen fotografiert zu haben. Ebenfalls abzusehen ist vom Versenden von Fotos oder Reiseberichten, die in irgendeiner Weise Bezug zu den aktuellen Entwicklungen haben. Gleiches gilt für SMS und Telefonate. Es sind Fälle bekannt, bei denen ausländische Staatsangehörige aufgrund derartiger Kommunikation mit ihrem Heimatland angeklagt und verurteilt worden sind. Die Kommunikation im Inland und mit dem Ausland ist phasenweise weiter sehr schwierig und nicht immer möglich. Vor einer Reise nach Iran sollten die dortigen politischen Entwicklungen aufmerksam verfolgt werden.

  • #5

    die Hummel (Dienstag, 01 Dezember 2009 18:39)

    Oh Mann, so`n Mittelstreifen klingt echt idyllisch. Und auf die Zahnentzündung hättet Ihr bestimmt auch verzichten können. Hoffentlich hat sich das mittlerweile erledigt!
    Haltet die Ohren steif!

  • #6

    ninaandphil (Mittwoch, 02 Dezember 2009 05:39)

    *****denken an euch************x

  • #7

    Nicole Tiarks (Freitag, 04 Dezember 2009 09:22)

    Hallo Ihr Lieben,

    wie immer fühle ich mit Euch!
    Toller geschrieben dieser Bericht, liebe Amelie. Ich hoffe, Tills Zähnen geht es besser. Es wäre mein Untergang mich in diesem Land auch noch zu einem Arzt bewegen zu müssen. Schön finde ich, dass Du Deine Einstellung geändert hast ... Die schaffen Dich schon ... naja und auf dem "vermummten Foto" siehst Du ja mal gar nicht so unschick aus ;-) Fühlt Euch geherzt und dolle viele Grüße aus dem vorweihnachtlichen Oldenburg

    Die Nicole