Esfahan – der berühmte Großvater

„Which Country? Which Country?“ Es wimmelte nur so vor angeblichen Touristenführer auf dem großen Platz in Esfahan, dem Meydan-e Imam. Doch wir brauchten weder einen angeblichen Touristenführer, noch einen tatsächlichen Teppichhändler. Wir waren mit Matthias, dem Radfahrer, verabredet. Nach unserer italienischen Pizza Magherita ohne Tomatensoße, die stattdessen mit Tomatenscheiben belegt war und mit nem Tütchen Ketchup serviert wurde, waren wir ein bißchen spät dran. Wir mussten uns beeilen. Matthias wartete bereits am Baugerüst des Palastes und gemeinsam gingen wir erstmal Tee trinken. Vom ersten Stock des Teehauses über dem Bazar hatte man einen gigantischen Blick auf den Platz mit seinen Moschee-Kuppeln und Minarett-Türmchen. Die warme Sonne machte den Blick perfekt. 1001-Nacht Feeling!

Es dauerte keine fünf Minuten, als sich Mohammed samt Wasserpfeife zu uns gesellte. Er und Matthias kannten sich bereits und es schien eine schlaue Art zu sein, unverfänglich Touristen aufzuspüren. Denn: sein Großvater wäre ein berühmter Mann! Mohammed fragte nach unserem Reiseführer. Wir zeigten den „Reise Know How“ und er blätterte prompt zu Seite 177. Wir waren nun mitten im Kapitel „Kunsthandwerk“ und auf dieser Seite befand sich ein Bild seines Großvaters bei der Arbeit. Er wäre in jedem Reiseführer, denn er wäre ja schließlich berühmt. So berühmt, dass der Untertitel des Fotos einfach nur „Stoffdrucker im Bazar von Esfahan“ lautet. Wir plauderten mit Matthias über die erste Woche im Iran. Zum Thema Essen hatten wir alle unsere kleine Erfahrungen gemacht. Wir mit unserer Pizza, Matthias mit Falaffel. Sämtliche Falaffel-Läden in der Umgebung seines Hostels hatte er getestet. Alles eher mittelmäßig. Mohammed hatte einen hervorragenden Tipp und empfahl uns einen Sandwhich-Shop am Fluß. Hier wäre der beste Falaffel der Stadt, er machte ein Kreuzchen in unserem Stadtplan. Dann wollte er gehen, weil er unsere Privatsphäre nicht stören wollten und fragte nochmal nach, ob wir nicht seinen Großvater treffen wollen. Unbedingt wollten wir das! Wann hat man schließlich nochmal so eine Gelegenheit? Matthias war am Vortag bereits dort gewesen, kam aber nochmal mit, um sich die Geschichte ein weiteres Mal anzuhören.

 

Wir liefen kurz über den Bazar und standen wenige Minuten später in einem Hinterhof, der früher zur Karawanserei gehörte. Unten wurden damals die Pferde versorgt, oben die Boten, die die Briefe für oder vom Shar durchs Land brachten. Heute befindet sich die Werkstatt des Großvaters in einem der unteren Bereiche. Wir nahmen gegenüber vom Großvater Platz, während er hinter seiner unfertigen Tischdecke saß. Langsam holte er seinen 20cm großen Motivstempel heraus, tauchte ihn in Farbe und stempelte zweimal in blau auf die Tischdecke. Dann packte er alles wieder ein und nun kam ein weiteres Familienmitglied zu Wort: Mohammends Vater oder Onkel. Er ratterte die ganze Geschichte herunter, höchste Qualität und keine Chemie, dafür Garantie, dass die Farbe ein Leben lang halten würde (im Gegensatz zu den Chemie-Decken!). Die Garantie beinhaltete einen Flug inkl. Hotelaufenthalt im teuersten Hotel Esfahans und sämtlichen Visakosten, falls die Farbe, die Großvater benützte, auswaschen würde, was natürlich niemals passieren würde. Falls jemand einen Beweis wollte, kochte bereits Wasser auf einer Flamme. So könnte man beim Waschtest sehen, dass Großvaters Decken halten, was sie versprachen. Ich hätte gerne gesehen, wie sich die Chemie-Farbe des Zeigemusters der Konkurrenz auswäscht. Aber diese Decke war leider außen vor und durfte nicht gewaschen werden. Natürlich ging es auch nochmal um die Berühmtheit seines Vaters. Es hingen sämtliche Reiseführer-Seiten an der Wand, wo Großvater abgebildet war: Schweiz, Deutschland und sogar China oder Japan! Auch ein auf Farsi geschriebenes Stück Papier von der Unesco hing neben den Reiseführer-Berichten! Vorsichtig fragte ich, was denn so eine Decke von Opa kosten würde. Reines Interesse, versteht sich. Mohammed zeigte auf ein kleines Deckchen. 25 Euro sollte sie kosten, schließlich würde Opa ja auch ewig dran stempeln. Das leuchtete ein. Denn, wenn er bei jedem Touristenbesuch nur zweimal stempelt, und dann wieder alles einpackt und einfach nur da sitzt, wird so eine Decke natürlich niemals fertig! Nun wurden natürlich sämtliche Decken in großen Größen vor uns ausgebreitet. Ich sollte sagen, welche mir gefallen würde. Über den Preis könnte man dann sprechen, so Mohammed. Wir lehnten ab und wollten gehen, schließlich gab es in Esfahan noch einige schöne Plätze, die wir sehen wollten und seinen Falaffel-Laden mussten wir ja auch noch ausprobieren. Doch so einfach kamen wir nicht davon. Erst folgte noch eine Einladung zu seinem Teppichladen. Diesen Laden hat er, neben seinem Beruf als Arzt im Krankenhaus, mit seinem Cousin zusammen. Matthias hatte uns schon erzählt, dass Mohammed ihm ein wunderbares Angebot gemacht hatte: Für jeden Touristen, den Matthias ihm in seinen Carpet-Shop bringt, würde er 10% vom Teppichverkauf bekommen! Matthias hatte dankend abgelehnt und das taten wir nun auch. Wir gingen zum Fluss Falaffel essen. Matthias´Profi-Urteil fiel im Vergleich zu Mohammeds Beschreibung hart aus: langweilig wie alle anderen. Der Preis hingegen glich alles wieder aus: 0,60 Dollar für zwei Falaffel. Da kann es auch mal langweilig schmecken!

 

Als wir am nächsten Tag nochmal alleine im Teahouse waren, hatte Mohammed den nächsten Touristen an der Angel: Kurt aus England. Wanna meet my famous grandfather?

 

Der Gewinner unserer ersten Postkarte aus Indien ist: Erzengel Gabriel! Bitte schick uns per Email deine Adresse!

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Hase (Dienstag, 22 Dezember 2009 11:57)

    Juhu! Neue Berichte. Die werde ich jetzt gleich in eins durchlesen!