Eskortservice – die letzten Kilometer im Iran

Das letzte Stückchen Iran soll sehr gefährlich sein. So hat das auswärtige Amt einige Reisehinweise zu der Region Sistan-Beluchistan auf der Internetseite. Auch in sämtlichen Reiseberichten von anderen Overlandern wird von einer ständigen Polizei-Eskorte gesprochen, die zur Sicherheit der Touristen gedacht ist. So wird man von Bam bis zur Grenze Pakistan begleitet, entweder mit einem extra Militär-Fahrzeug oder mit einem Soldaten auf dem Beifahrersitz. Wir hatten sämtliche Erfahrungsberichte über die iranischen und pakistanischen Eskorten von anderen Reisenden gelesen. Manche hatten so schlechte Erfahrungen gemacht, dass sie wieder umgedreht sind. Wir stellten uns auf alles ein und bereiteten in Kerman, unserem letzten Stopp vor der Provinz Beluchistan, uns und den Frosch auf das wohl heftigste Stück unserer Reise vor.

Zunächst räumten wir das Handschuhfach auf. Wichtige Dinge verschwanden an sicheren Verstecken, unwichtige Dinge zum Anfassen,  Anschauen und eventuellem Einstecken blieben drin. Der Frosch wurde von innen absichtlich nicht mehr ausgefegt. Hund und Hundehaare sollten doch irgendwie abschreckend sein, vielleicht würde man ja doch auf eine mitfahrende Eskorte verzichten und uns stattdessen mit eigenem Fahrzeug begleiten. Wir breiteten sämtliches Kartenmaterial aus, durchforsteten nochmal das Internet nach allen Stellplatzbeschreibungen samt GPS Koordinaten für das letzte Stück Iran und die gesamte Strecke in Pakistan bis zur Grenze Indien. Denn eine unendliche Stellplatzsuche in einer Gegend, die als gefährlich gilt, wollten wir unbedingt vermeiden. Wir notierten alle Infos, die wir finden konnten. So sollte doch nichts mehr schief gehen.

 

Unser Weg nach Bam führte über einen Zwischenstopp in Rayen. Hier in Rayen parkten wir direkt an der Zitadelle und man bekam ein Gefühl dafür, was für ein unglaublich historischer Schatz in Bam beim Erdbeeben 2003 zerstört worden war. Von der Lehmstadt, das nicht nur Wahrzeichen der Stadt Bam, sondern auch aufwendig restauriertes Weltkulturerbe war, ist nur noch schemenhaft etwas zu erkennen. Dies konnte man auf den Plakaten, die in der Zitadelle in Rayen hingen, auf Vorher-Nachher-Bildern sehen. 40.000 Menschen kamen bei diesem Beben ums Leben.

 

Bei Sonnenaufgang fuhren wir in Rayen los. Wir hatten zwar nur knapp 150km zu fahren, doch je eher wir in Bam waren, desto mehr Zeit hatten wir für die Stellplatzsuche. Wir wollten nicht direkt von Rayen bis zur Grenze durchfahren. Es wäre mit über 400km vielleicht zu weit gewesen, um im Hellen an der Grenze einzutreffen und falls uns dann auch noch die Eskorte begleitet, könnte dies wieder unnötig Zeit kosten.


Problemlos erreichten wir Bam und fanden mit unseren GPS-Infos unseren Stellplatz an einem Hotel, das etwas außerhalb auf der Strecke nach Zahedan gelegen war. Leider funktionierte das Internet an diesem Tag nicht, stattdessen bekamen wir Tee und durften am Abend das Restaurant besuchen: zwei riesige Fish-Schenitzel mit Pommes bzw. Reis. Für Ole war dieser Platz ein Paradies. Ein Parkplatz mit Dattel-Palmen und endlich waren hier mal keine Schaulustigen, die Fotos von ihm machten oder ihn anbellten. Nach langer Zeit konnte er endlich wieder ausgelassen toben. Wir verzichteten auf einen Stadtbesuch in Bam, wir wollten nicht unnötig auffallen. Da die Sicherheit der Touristen hier aber groß geschrieben wird, wurde unser Frosch noch einmal kurz vom Hotelmanager inspiziert (er rief in den halbdunklen Frosch: is here another person? Natürlich antwortete keiner...) und am nächsten Morgen die Polizei angerufen, um uns eine Eskorte zu besorgen. Wir starteten pünktlich zum Sonnenaufgang um 6 Uhr den Frosch und glücklicherweise öffnete man uns schon vor Eintreffen der Polizeieskorte das Tor. Wir warteten nicht, wir fuhren.

 

Gleich an der Ecke stand natürlich schon die Polizei. Diese war aber gerade mit einem Reisebus beschäftigt und wir schienen nicht weiter aufzufallen. Auch bei den nächsten beiden Polizeikontrollen auf der Straße, wurden wir durch gewunken. Keine Eskorte. Doch dann überholte uns ein Polizeiwagen und wir mussten anhalten. Drei Männer stiegen aus. Sie kontrollieren unsere „Pässe“ und wir mussten warten. Auf eine Eskorte, die sie uns per Funk bestellten? Während der Wartezeit zeigten uns Tick, Trick und Track, was ihre Aufgaben waren. Tick, in olivgrün und mit Kalaschnikow, war der Sicherheitsbeauftragte. Trick, zu erkennen an seiner neongelben Reflektorjacke, holte seine Radarpistole raus und zeigte sie voller Stolz. Natürlich kam sie sofort in Einsatz und ein LKW Fahrer wurde heraus gewunken. Trick hatte ihn beim zu schnellen Fahren erwischt und damit seine Polizei-Pflicht erfüllt. Nun war es Track, der in seiner schicken blaue Uniform mit Mützchen einen Strafzettel schrieb. Als der LKW Fahrer weiterfahren durfte, wurde per Funk noch einmal unser Kennzeichen durchgegeben und, oh Wunder, wir durften ohne Eskorte weiterfahren! Diese kleine Anekdote hat uns bestimmt eine Stunde gekostet. Sie war amüsant aber für uns ohne wirklichen Sinn.


Wir kamen nach Zahedan, der Provinzhauptstadt und auch laut Reiseführer ein nicht ganz ungefährliches Pflaster. Wir versuchten zu tanken. Aber trotz Tankkarte, die noch ein Guthaben von 250l Diesel  hatte, kamen wir nicht weit. Denn hier brauchte man keine Tankkarte, sondern einen weißen Zettel mit Stempel. Keine Ahnung, wo wir den her kriegen sollten. Wir fuhren unverrichteter Dinge weiter. In die Tanks hätte eh nicht mehr viel herein gepasst, deshalb war es auch nicht schlimm. Wir verließen Zahedan und fuhren die letzten 80km nach Mirjave und genau 25km vor der Pakistanischen Grenze war dann eine Straßensperre. Und hier kam dann die erwartete Eskorte. Auf den ersten 400km durch die gefährlichste Region des Irans wurden wir immer wieder durchgewunken und auf dem letzten Stück, das vor Soldaten nur so wimmelte, brauchten wir noch eine Eskorte? Aber bitte, die Herren kennen ihr Belutschen-Gebiet selbstverständlich besser als wir. Natürlich sollte einer der Soldaten bei uns mitfahren. Aber wirklich Lust dazu hatten wir nicht. Außerdem war Ole, der böse und vor allem bissige Hund, doch eine viel zu große Gefahr für den Soldaten! Was, wenn der Soldat gebissen werden würde? Die Soldaten diskutierten hin und her. Es schien sich kein Freiwilliger zu finden, der das Hunde-Risiko eingehen wollte. Aber ohne Eskorte ging es ja auch nicht. Also schlugen wir vor, dass sie uns doch mit ihrem Pick-Up eskortieren könnten. Wieder langes Hin und Her und schließlich wurde der Wagen mit seinem beige-rosa Flecktarn gestartet. Na endlich! Aber wir kamen nur 20km weit. Hier war dann natürlich wieder eine andere Eskorte zuständig. Für die letzten, wohl gefährlichsten 5km, sollten andere ihr Leben riskieren. Und wieder mussten wir erklären, dass Ole bissig ist und hier keiner mitfahren kann. Das tolle an den Soldaten war, dass sie Ole mit ihrem Bellen und Pfeifen  immer wieder anstachelten und unser Showhund unaufhörlich tief und laut bellte und seine hübschen Zähne zum Vorschein kamen.. Es zeigte Wirkung und nun wurde der nächste Wagen gestartet, diesmal  mit einer mächtigen Haubitze auf der Ladefläche, der Patronengurt locker ums Geschütz gewickelt. Sicher ist sicher. Und auch dieser Fahrer hatte Schwierigkeiten zu begreifen, dass wir nicht innerhalb von Sekunden auf 120km beschleunigen können und war erstmal verschwunden. Dann sahen wir wieder Bremslichter aufleuchten, wir kamen näher. So nah, dass wir auch wieder bremsen mussten. Natürlich gab die Eskorte dann wieder Vollgas und war wieder halb verschwunden, bis dann wieder die Bremslichter aufleuchteten. Und so ging das dann immer fröhlich weiter. Irgendwann haben wir aufgehört nach dem Sinn zu fragen und waren endlich an der Grenze zu Pakistan angekommen.

 

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Kommentare: 3
  • #1

    NICOLA (Montag, 21 Dezember 2009 09:33)

    hey ihr lieben! bin so froh, dass ihr gut angekommen sseid, aber jetzt muss ich mal wiede rklugscheißen....
    beim scrabbel: STOMMEL, kann ja nur geschummelt sein? wer oder was ist denn das???
    liebste grüsse aus dem schneebedeckten hh

  • #2

    Bernd (Montag, 21 Dezember 2009 11:26)

    @Nicola:
    Das ist doch einfach: Der STOMMEL ist der untere Teil beim FUGENMAIS ;-)

    @Amelie:
    Wenn die Scrabble-Regeln das einzige Problem im iranisch-pakistanischen Grenzgebiet sind, können wir alle froh sein! Glückwunsch zu Eurer cleveren Reisetaktik und Gruß von Bernd

  • #3

    Hase (Dienstag, 22 Dezember 2009 11:50)

    Auch ich habe mir eure Wortkreationen im einzelnen durchgelesen, bin über dieselben Begriffe gestolpert und musste dann richtig grinsen als ich anschließend die Kommentare las. Es gibt also auch andere, die sich jedes Detail der Fotos ansehen ;)