
Wir waren im Wüstengebiet. Natürlich denkt man bei Wüste sofort an unendliche Sanddünen, unerträgliche Hitze, flimmernde Straßen und Kamele. Doch dieses Stückchen Wüstengebiet an der Straße zwischen Esfahan und Yazd, muss man sich eher als Steppen-Prärie-Wüste mit ausgetrockneten, herumwehenden Prärie-Büschen und ohne unendlichen Horizont vorstellen. Ende November ist es hier tagsüber auch eher lauwarm als kochend heiß.
Während wir mit unserem Frosch in mittelmäßigem Tempo über die zweispurige Schnellstraße fuhren, kamen wir an unserem ersten „Achtung Kamele“ Schild vorbei. Als ob uns jetzt ein Kamel vor die Linse laufen würde! Zehn Minuten später war es tatsächlich sogar eine ganze Herde! Wir konnten es kaum fassen. Unsere ersten Kamele! Einen Hirten konnten wir selbst durch das Fernglas nicht sehen. Aber irgendwo war bestimmt einer, denn Kamelfleisch haben wir schon auf einer Speisekarte entdeckt. Oder sie waren tatsächlich alleine unterwegs und wußten, wo ihr zu Hause ist. Vielleicht waren sie jetzt auf dem Weg dahin und irgendwo wartete jemand sehnsüchtig auf die Kamele und ihre Schmuggelware. Denn, ob man es glaubt oder nicht, Kamele werden als Drogenkuriere missbraucht. Ihnen wird ihr Zuhause antrainiert, in dem sie immer wieder an bestimmten Stellen gefüttert werden. Somit laufen sie alleine durch Grenzgebiete und lästige Kontrollen werden umgegangen.
Als wir in Yazd ankamen, führte uns der direkte Weg zum Silk Road Hotel. Wir waren inzwischen zusätzlich mit einer passablen Fälschung vom Lonely Planet Iran (in Esfahan gekauft) ausgestattet, da uns der Reise Know How nicht richtig glücklich machte. Beide hatten einen Stadtplan von Yazd. Da sollte doch nichts schief gehen mit unserem Parkplatz bei eben diesem Hotel. Den Tipp hatten wir von der Internetseite von Marco. Wenn er mit seinem großen Reisebus vor ein paar Jahren hier Platz gefunden hat, werden wir es auch. Dachten wir. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: den Parkplatz zum Hotel gab es nicht mehr. Hier war nur noch ein Haufen Schutt und sämtliche Gassen, die in diese Lehmhütten-Altstadt führten, waren winzig klein und absolut nicht Frosch-tauglich!
Wir liefen die Altstadt nach einem Parkplatz ab und waren mitten in der angeblich ältesten Stadt der Welt. Alles war aus Lehm erbaut und durch die kleinen, engen und verwinkelten Gassen heizten die Autos und Mopeds. Nur ihr Hupen vor kleinen Kreuzungen warnte andere Fahrer, dass hier einer mit erhupter Vorfahrt kam. Als Fußgänger musste man immer schön aufpassen, was von vorne, von hinten oder von der Seite angerauscht kam, um nicht unter die Räder zu kommen. Plötzlich standen wir auf einem großen Platz am Imam Mausoleum und dem Gefängnis von Alexander dem Großen, der hier, der Legende nach, jemanden gefangen gehalten haben soll. Auf diesem Platz stand nun vor uns: ein deutsches Wohnmobil! Wenn dieses Wohnmobil den Weg hier rein geschafft hat, schaffen wir das mit dem Frosch doch auch. Das musste sofort geprüft werden! Wir liefen den Weg ab, den wir gleich fahren mussten und es war tatsächlich möglich. Keine zu niedrig hängenden Kabel, keine zu engen Gassen, keine zu engen Kurven oder seitlich parkenden Autos. Wir hatten kurze Zeit später einen Stellplatz mitten im Unesco Weltkulturerbe, dem Labyrinth von Yazd.
Nicht nur die Lehmhütten waren beeindruckend, sondern auch die uralte Wasserversorgung dieser Altstadt. Man hatte oben in den Bergen eine Wasserquelle angezapft und die komplette Altstadt mit kleinen tieferliegenden und unterirdischen Minikanälen versehen. So rauschte nun Wasser durch die zahlreichen Minikanäle und versorgte die Lehmhäuser. In einem Lehm-Hotel am Platz konnten wir dieses Spektakel live sehen: ein vielleicht vierzig Zentimeter breiter Kanal geht direkt unter dem Hotel im Untergeschoss lang und immer noch fließt hier klares Wasser, das man schöpfen kann! Neben dieser Wasserversorgung gibt es noch ein ausgeklügeltes System: die Durchlüftung der Häuser. Diese wird über Wind-Türme geregelt, die an einigen Stellen über den Dächern zu sehen waren und von allen Seiten Wind einfingen, um den Lehmhäusern eine entsprechende Zugluft zu geben. Fehlte nur noch eine Fußbodenheizung. Aber die erfanden ja angeblich die Römer....
Dass die Altstadt von Yazd für Unerfahrene ein Labyrinth war, stellten wir am Abend und am nächsten Tag fest, als wir jeweils den Weg zur großen Freitagsmoschee suchten. Man verlief sich richtig schnell! Statt im Kreis zu laufen und beim Frosch herauszukommen, versuchten wir uns an den großen blauen Minarett-Türmchen der Moschee zu orientieren. Erst als diese halb links von uns waren und dann nach fünf Minuten wieder rechts auftauchten, merkten wir, dass wir schon wieder im Halbkreis gelaufen waren! Ob sich die Einheimischen hier auch mal verirrten?
Abends konnte man sich vor den in den schwarzen Chador gehüllten Frauen ziemlich erschrecken, als diese plötzlich aus der Dunkelheit kamen. Tagsüber kreuzten sie im schwarzen oder alternativ im
Blümchen-Chador mit einem Haufen von ofenfrischem Fladenbrot unterm Arm ständig unsere Wege. Jetzt links? Oder rechts? Wir landeten wieder auf dem Parkplatz vom Frosch. Gerade rechtzeitig, um
Anke und Frank, unsere Stellplatz-Nachbarn, noch einmal Tschüss zu sagen. Sie hatten uns am Morgen zum Frühstück in ihrem Wohnmobil eingeladen und schenkten uns jetzt auch noch ein ausgelesenes
Buch, über das wir uns sehr gefreut haben! Nun werden wir es mal mit Karl May probieren!
Im Altstadt-Labyrinth fanden wir beim zweiten Anlauf doch den Weg zum Silk Road Hotel. Diesmal bestaunten wir die tolle Innenhofatmosphäre noch einmal im Hellen, die uns am Vorabend bereits begeistert hatte. Eine kleine Oase inmitten der Lehmstadt mit leckerem Essen, Tee und Internet! Keine Ahnung, ob Uschi Obermeier in den 70ern mit ihrem Bully auf ihrem Weg nach Indien hier auch gehalten hat. Aber ich stellte mir vor, dass die Einrichtung, die Deko und die Atmosphäre vor über 30 Jahren hier genauso gewesen sein musste. Ein Haufen Backpacker tauschte sich aus, man aß gemeinsam und draußen huschte bestimmt wieder eine verhüllte Frau mit Fladenbrot durch die Straßen. Und wir waren mittendrin - im magischen Bann des Orient.
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Frank (Samstag, 06 Februar 2010 15:05)
Hallo nach Indien,
ab und zu, wenn ich online bin, schnuppere ich ein wenig bei euch.
Yazd und unser kurzes Treffen liegen jetzt schon so weit zurück. Was werde ich mitnehmen können von dieser Reise, was wird hängenbleiben? Ich erinnere mich an Details wie dies: Amelie erscheint mit einem Glas Nutella zum Frühstück bei uns im Wohnmobil. Anke kaufte acht Fladenbrote für uns -- und der Bäcker (der uns am Vortag gerade mal eines für "auf die Faust" gab) schaute ungläubig.
Es war schön, euer Lachen zu sehen, eure Geschichten zu hören und in wache Augen zu blicken. Danke für die Momente.
Nun seid ihr in Indien, wir sind auf der Arabischen Halbinsel. Ein Stück ahben wir gemeinsam: Hier leben Inder. Unsere Kontakte zu ihnen sind hier allerdings meist etwas bedrückend, denn sie verrrichten häufig die "niederen Arbeiten" für die Araber, wohnen teils in erbärmlichen Verhältnissen und haben ihre Familien daheim -- weit entfernt. Natürlich gibt es Ausnahmen ...
Die mittlerweile von mir als witzig empfundene Erfahrung mit den "Kopfwacklern" ist, dass sie nie zugeben, etwas nicht zu wissen. Fragen wir einen Inder nach einer Richtung, so wird mutig in irgendeine gezeigt -- aber bestimmt nicht in die richtige. Keine Ahnung trübt diese mutigen Jungs -- eine Meinung haben sie trotzdem. Das ist, soweit man es weiss, vergnüglich (und irgendwie erinnert mich das auch an Situationen daheim in Deutschland).
Unser Klassiker unter den hiesigen, kurzen "indischen" Gesprächen ist dieser, in einem Restaurant im Oman:
Frank: Hello, do you speak English?
Inder: Yes.
Frank: Do you have milk shakes?
Inder: Hä?
Frank: Do you have milk shakes?
Inder: Fried rice?
Beste Grüsse aus Salalah an euch.
Frank (und bestimmt auch von Anke)