Is nicht schlimm – Teil 2

„Wir sind über 12.000km gefahren und hatten nur eine Reifenpanne bisher. Und die war am ersten Tag in Deutschland!“ Stolz erzählte Till bei einem kurzen Zwischenstopp von unseren tollen Reifen. Manchmal sollte man die Dinge für sich behalten und wenn man schon drüber reden muss wenigstens dreimal auf Holz klopfen. Oder prüfen, ob der Ganesha-Reise-Gott auch wieder richtig hängt. Mein Schrank quietschte nämlich bei jedem Huckel und er verlor Schrauben. So hatten wir ihn am Abend zuvor wieder zusammen gezimmert und dafür musste Ganesha halb abmontiert werden. Nun hatte Till also von unseren Reifen gesprochen, hatte nicht auf Holz geklopft und ich hatte Genesha nicht wieder richtig angebracht. So geschah keine 10min später das, was geschehen musste: unser linker Hinterreifen platzte. Mitten auf der Straße vor Udaipur bei Tempo 80km/h.

Till manövrierte den Frosch an den linken Fahrbahnrand, wir kamen sehr glimpflich zum Stehen. Der Reifen war zerfetzt und qualmte wie Hulle. Ich sicherte, wie in Indien üblich, die Unfallstelle mit Steinen und Sträuchern ab. Und dann mussten wir das erste Mal selber ran. Ich holte schon mal den Wagenheber raus, während Till aufs Dach kletterte, um den Galgen startklar zu machen, der das Reserverad sicher nach unten befördern sollte. Ich blätterte in der LKW-Beschreibung, wo man den Wagenheber anzusetzen hatte und konnte mit bloßem Auge sehen, dass der Wagenheber niemals da runter passen würde, wo Mercedes es an der Hinterachse vorschrieb. Der Wagenheber war doppelt so hoch wie gewünscht. Verdammt. Ich behielt es erstmal für mich, denn Till fluchte auf dem Dach schon über die Galgenkonstruktion. Inzwischen hatten sich einige Inder um unseren grünen LKW versammelt und glotzten, was die dummen Deutschen da oben auf dem Dach eigentlich gerade fabrizierten. Der Galgen stand. Der Reifen war fest. Aber die Seilwinde war dank der runden Verzahnung eigentlich ziemlich im Eimer. Das 130kg Rad würde niemals über die Seilwinde das Dach verlassen können. Ein „Hätten wir mal vorher....“ sparten wir uns, es nützte ja in dieser Situation eh nichts. Das Rad musste runter und die Inder hatten Recht, das einfachste wäre es, das Rad auf die Straße plumpsen lassen. Ein Inder hielt die Autos an, der nächste rief uns zu und das Rad flog vom Dach und nun sprang der 130kg Flummi lustig und unkontrolliert über die Straße. Aber die Inder hatten es innerhalb kurzer Zeit im Griff, es kam nichts zu schaden. Nun musste ich Till erzählen, dass der Wagenheber nicht unter den Frosch passen würde. Doch das hatten die Inder inzwischen schon selbst festgestellt. Die dummen Deutschen hatten noch nicht mal einen richtigen Wagenheber dabei! Wir wunderten uns, warum dieser Wagenheber beim Froschkauf überhaupt zum Zubehör gehörte. Glücklicherweise war uns der Reifen 200m entfernt von einem Tire-Shop geplatzt. Also wurde uns jetzt erstmal richtiges Werkzeug gebracht. Und da die dummen Deutschen ja scheinbar eh nichts können, zeigten die Inder jetzt mal, was sie so drauf hatten: Mit zwei Wagenhebern wurde der Frosch aufgebockt. Tills Werkzeug wurde beiseite geschoben, nur indische Werkzeug ist wahres Werkzeug. (2m langer Hebel) Und so wurden in Null Komma Nix die Radmuttern gelöst, der kaputte Reifen war runter und das Ersatzrad drauf. Also alles mal wieder gar nicht schlimm. 

 

Der Oberbeauftragte unserer Radwechselaktion hatte gegenüber ein Restaurant und hier fuhren wir nun hin. Eine Lunch-Pause mit schattigem Plätzchen war jetzt genau das Richtige. Aus der Lunch-Pause wurde ein ganzer Nachmittag, ein Abend und eine Nacht. Es war nach der Reifenpanne eh schon 14 Uhr und wir hatten keine Lust mehr weiterzufahren. Stattdessen fragten wir, ob wir hier irgendwo neue Reifen bekommen könnten. Alles gar kein Problem und alles easy.  Der Kumpel vom Restaurant-Besitzer hatte zufällig einen Reifenhandel. Der wurde angerufen und am nächsten Morgen sollten zwei neue Reifen geliefert werden. Montage hier direkt am Restaurant – perfekten Service für die deutschen Touristen! Aus dem Service wurde am nächsten Tag endlose Warterei, die wir damit verbrachten, Oles Fell aufs Minimum zu kürzen. Ole muss schließlich im heißen Sommer nicht im dicksten Winterpulli herumlaufen. Nun trägt er wieder T-Shirt. Die Warterei endete damit, dass der Kumpel doch keine passenden Reifen für uns hatte. Nun fuhr Till mit dem Restaurant-Chef bei 30 Grad im Schatten im beheizten (!!) Kleinwagen 20km weiter nach Udaipur. Ich nutzte die Zeit um Wäsche zu waschen und vertrieb mir das weitere stundenlange Warten mit Lesen. Till rief aus dem Reifenladen in Udaipur an, um mir zu sagen, dass zwei Jungs aus dem Reifenshop gleich vorbeikommen würden, um zu gucken, ob die Goodyear-Reifen aus Jaipur passen würden. Wenn ja, würden diese Reifen bestellt werden und zwei Tage später hier sein. Die Jungs kamen, telefonierten, sagten, sie könnten nicht helfen, diese Reifen würde es bestimmt in Mumbai geben und fuhren wieder weg. Na toll. In die 12 Millionen Stadt Mumbai wollten wir mit dem Frosch eigentlich nicht. Und jetzt? Wenige Minuten später war Till auch wieder da. Wir packten unsere Sachen und fuhren unverrichteter Dinge weiter. Mit einem Reifen, der vom TÜV abgelehnt wurde, weil die tiefen Risse bis aufs Gewebe gehen und keinem weiteren Ersatzrad mehr. Eine weitere Reifenpanne wäre jetzt die Krönung. Also fuhren wir mit 40-50km/h erstmal weiter auf unserer Strecke Richtung Goa in der Hoffnung, irgendwo zwei passenden Reifen über den Weg zu laufen.

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Kommentare: 1
  • #1

    toby (Samstag, 26 Dezember 2009 11:37)

    ma ehrlich wunderte ich mich schon, warum ihr
    mit so komischer reifengröße unterwegs seit
    und hinten noch nichtmal zwillinge drauf.

    alles wird gut!