
Um Nichts zu erleben, muss man sich in Indien im Hotelzimmer einsperren (wobei man auch hier eine Menge erleben kann, siehe hier). Ansonsten hält Indien mindestens einmal täglich eine schöne oder auch unschöne Überraschung für einen bereit. Über den mörderischen Verkehr haben wir ja schon oft berichtet. Uns sind schon einige umgekippte LKWs und kaputt gefahrene Autos am Straßenrand begegnet und so manches totgefahrenes Tier klebte wie ein Abziehbild auf dem Asphalt, Hunde lagen erstarrt oder halb verrottet am Straßenrand oder die Vögel pickten an ihren überfahrenen Körpern herum. Alleine an einem Tag zählten wir 10 überfahrene Hunde! Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis uns diese Situation begegnete:
Als wir gerade auf der Landstraße durch ein Dorf fuhren, bremste vor uns ein LKW ab. Er hupte und hupte und dann fuhr er drum herum um das, was da mitten auf dem Highway lag. Wir sahen vor uns einen schwarzen Hund, der versuchte aufzustehen, es aber nicht mehr schaffte. Er hatte definitiv seine Beine gebrochen – ein paar Minuten vor uns muss ihn jemand angefahren haben und ihn dann einfach liegen gelassen haben. Was jetzt? Wir können ja nicht einfach weiterfahren!
Wir hielten am Straßenrand an und stiegen aus. Es war eine Hündin, die nicht nur gebrochene Beine hatte, sondern auch eine ganz tiefe Wunde an der Schulter aus der das Blut nun auf die Straße triefte. Innerhalb von Sekunden waren mal wieder ein Haufen Inder um uns herum, die gespannt darauf warteten, was jetzt passieren würde. Wir fragten nach einem Tierarzt. „Vet? Vet? Animal Doctor? Animal Doctor?“ Einer verstand und zeigte in die Richtung, in die wir fahren wollten. „20 Kilometers, next City!“ Ich rannte zum Frosch, holte eine Mullbinde und nutze den absoluten Schockzustand der Hündin um ihr den Fang zu zubinden, damit sie nicht beißen konnte. Wie gut, dass mir vor der Reise unsere Tierärztin Frau Duprée und Dackel Dr. Jakob gezeigt hatten, wie man das macht! Die Hündin konnte also nicht mehr beißen. Jetzt mussten wir sie nur irgendwie in den Frosch bekommen. Eine Trage musste her. Es war kein Brett aufzufinden, da kam Till auf die Idee, einen Mehlsack von unserem Agonda-Sofa umzufunktionieren! Er schob unsere Tischbeine links und rechts in den Sack und wir hoben die schwer verletzte Hündin auf die Trage. Ole wurde auf dem Bett angebunden und bewahrte die Ruhe als die Hündin in den Frosch gehoben wurde. Ich blieb hinten, um die blutende Hündin und Ole im Auge zu haben. Wir kamen 5km weit, dann änderte sich plötzlich der Schockzustand der Hündin und aus dem ruhigen Tier wurde ein Panisches. Till hielt an und kam zu mir nach hinten. Sie versuchte aufzustehen, aber schaffte es nicht. Sie wurde immer panischer, der Fang-Verband lockerte sich und sie versuchte zu beißen. Dann brach sie wieder zusammen und ich verstärkte ganz schnell den gelockerten Fang-Verband mit einem weiteren. Ich zog diesmal richtig fest zu, dass sich nichts mehr lösen konnte. Dann bekam sie eins von Oles Halsbändern und wir banden sie fest, damit sie sich nicht mehr bewegen konnte. Wir fuhren weiter und der nächste Panikanfall kam. Wir mussten noch drei weitere Male anhalten, bis wir sie endlich so fest gebunden hatten, dass sie einigermaßen ruhig liegen blieb. Es war furchtbar! Sie fing schrecklich an zu weinen, versuchte sich immer wieder aufzubäumen und hatte furchtbare Schmerzen. Die ganze Fahrt über dachte ich, dass sie uns gleich sterben wird.
Als wir endlich die 20km geschafft hatten, waren wir mal wieder inmitten einer großen chaotischen Stadt. Till engagierte einen Riksha-Fahrer, der angeblich den Weg zum Tierarzt kannte und der Frosch fuhr hinterher. Ich saß hinten, hörte die Hündin jaulen und konnte nur ein bißchen vorne aus der Scheibe rausgucken, wo die vielen Verkehrsteilnehmer herumwirbelten. Wir fuhren links, wir fuhren rechts, es wurde gehupt, wir fuhren unter einer Brücke durch, die so niedrig war, dass der Frosch gerade so drunter durch passte und während ich damit rechnete, dass der Tierarzt sie bestimmt nicht behandelt, weil sie ein Straßenköter ist, rechnete Till fest damit, dass der Riksha-Fahrer bei dieser Stadt-Ralley keine Ahnung hatte, wo ein Tierarzt war.
Doch dann überraschte uns Indien wieder mit den guten Seiten: der Riksha-Fahrer kannte tatsächlich den Weg und als wir endlich nach gefühlten Stunden auf den Hof der Open-Air-Tierarzt-Praxis fuhren, war der Veterinär tatsächlich sofort bereit, den Hund zu behandeln. Die Wunde wurde betäubt, gesäubert und genäht und wir waren unglaublich froh, dass wir den Weg geschafft hatten. Sie hatte sich die komplette Schulter zertrümmert und zwei Beine gebrochen, aber es wurde nichts geschient. Das müsste so wieder zusammenwachsen, sagte der Arzt. Doch was sollte nun mit ihr passieren? Wir konnten sie weder mitnehmen, noch mit ihren gebrochenen Beinen wieder in ihrem Dorf aussetzen. Wir fragten, ob wir sie dort lassen könnten. Wir durften. Einer der Praxis-Hausmeister würde sich um sie kümmern. Es blieb ein etwas mulmiges Gefühl, doch die eine Arzthelferin versprach mir, dass sie ein Auge drauf haben würde. Da der Tierarzt für die ganze Behandlung nichts berechnete, hinterließen wir eine Spende, die auch die Arzthelferin daran erinnern sollte, tatsächlich ein Auge auf die Hündin zu haben. Dann säuberten wir den Frosch und mussten die Hündin ihrem neuen Schicksal überlassen, das immerhin besser war, als auf der Dorfstraße elendig zu verrecken. Wir hoffen, dass es ihr gut geht und dass uns in Zukunft nicht noch ein hilfsbedürftiges Tier über den Weg läuft. Der Agonda-Zoo und diese angefahrene Hündin haben den Bedarf an Tierrettung erstmal gedeckt...
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toby (Dienstag, 06 April 2010 13:23)
ganz ehrlich: ich habe damit gerechnet, daß der
doc ihr die letzte spritze gibt. das arme tier.
Erzengel Gabriel (Dienstag, 06 April 2010 14:10)
Bin ich froh, daß Ihr so ein großes Herz für Tiere habt ... und der Tierarzt dort ebenfalls !!!
Viel Glück und Segen an die Arme ... und natürlich für Euch, den Frosch und die Weiterreise ;)
Viele Grüße,
vom Erzengel
die Hummel (Samstag, 10 April 2010 23:41)
Oooooch, die arme Maus, wie gut, dass ihr gerade vorbeigekommen seid. Seid geküsst für Euren Einsatz. Herz, die Hummel