
Bei einem Bier am zweiten Abend auf unserem Hinterhof erklärte uns Werkstatt-Inhaber Irwin auf seine humorvolle Art, wie das mit dem Arbeiten in Nepal generell gehandhabt wird: Fast die Hälfte des Jahres besteht aus Feiertagen, der nächste Großteil aus Streik, dazu Urlaubstage und Ausfall wegen Krankheit, dann blieben noch ca. 17 Tage an denen gearbeitet werden kann. Wobei man davon natürlich die täglichen Powercuts – die von der Regierung planmäßig angeordneten Stromausfälle – auch noch mal abziehen könnte. Was für ein großartiges Leben und was für ein herrlicher Witz! Ha ha! Der, wie wir kurze Zeit später feststellen mussten, irgendwie doch keiner war....
Wir hatten am nächsten Tag mit Irwin unsere Reparaturmaßnahmen am Frosch besprochen. Alles gar kein Problem, sagte er uns. Und wir waren gespannt. Doch die nächsten Tage passierte natürlich erstmal gar nichts – es war Feiertag in Nepal – wir zelebrierten das neue Jahr 2067! Auch danach wurde kein Werkzeug am Frosch angesetzt. Es passierte einfach Nichts. Irwin war wie vom Erdboden verschluckt. Nun waren wir schon fast zwei Wochen hier auf unserem Hinterhof – dabei hatten wir für unseren Werkstattaufenthalt maximal drei Wochen eingeplant. Wir lernten schnell dazu: in Nepal braucht man keine Pläne machen, die Uhren ticken hier einfach anders.
Plötzlich spuckte der Erdboden Irwin wieder aus! Er war wieder da. Aber nur, um mal wieder ein paar Bier mit uns zu trinken und um am nächsten Tag wieder zu verschwinden – zu einem Fotoshooting
am Mount Everest Basecamp. Zum Glück konnten wir vorher nochmal unser Reparaturanliegen besprechen und seine fleißigen Jungs fingen tatsächlich umgehend an!
Nachdem sie unsere Bremsen unter die Lupe genommen hatten, ging es an den ersten Tank. Entrosten, Säubern, Grundieren, Lackieren, Gummidichtungen und Co. austauschen und wieder ran an den Frosch.
Das war unser Plan – der Werkstattplan sah sehr viel einfacher aus: ein bißchen Abschleifen und Überlackieren ohne jegliche Grundierung oder Rostumwandler und natürlich wurde auch stumpf über
sämtliche Gummidichtungen inklusive Dreck lackiert! Nein, so hatte das alles keinen Sinn, bitte nochmal von vorne! Und so fingen sie nochmal an. Abschleifen und Grundieren – das waren die beiden
Maßnahmen, die sie geschafft hatten. Ab da warteten wir auf die Lackfarbe (klassisches schwarz), die derzeit nicht lieferbar war. Und dann kam der Streik!
Die Maoisten hatten aufgerufen, die Arbeit niederzulegen, um dem Premierminister von seinem Thron zu stoßen. Sie wollten den Kommunismus und ließen sämtliche Bauern von den Dörfern nach Kathmandu
karren, um einen ordentlichen Streik durch zu ziehen. Es sollte nun so lange gestreikt werden, bis der Premierminister von selbst aufgab und seinen Stuhl räumte. Das war die Vorstellung. Brav
legten alle ab dem ersten Tag die Arbeit nieder – denn wenn es jemand nicht tat, wurde nachgeholfen. Sämtliche Fahrzeuge wurden von den Straßen verbannt, wer trotzdem fuhr, wurde mit Steinen zum
Anhalten gezwungen. Die eine oder andere Scheibe wurde mit Sicherheit eingeschlagen - auch hörten wir, dass ein paar Fahrzeuge in Brand gesetzt wurden. Alle anderen hielten sich an diese
Streikbedingungen und es herrschte eine unglaubliche Stille vor unsere Haustür. Kein Hupen, keine Motorengeräusche, kein Smog! Herrlich. Wir konnten entspannt spazieren gehen, so wie es halb
Nepal scheinbar tat. Alle waren zu Fuß auf den Straßen unterwegs. Friedliche Stimmung. Von unserem Hinterhof aus konnten wir die Demonstranten beobachten, wie sie auf der 16km langen Ring Road
eine Menschenkette bildeten oder auch bei uns am Kreisel eine Minister-Puppe verbrannten.
Bei uns vor der Tür lief alles recht friedlich ab. Die Shops durften im ganzen Land zwischen 18-20 Uhr öffnen, damit man seine Lebensmittelvorräte aufstocken konnte. In der Innenstadt von
Kathmandu hingegen wurde man nach ein paar Tagen ziemlich sauer auf die Maoisten. Die Arbeit stand still, die Geschäfte ruhten, es gab kein Geld zu verdienen – es wurde ein wenig auf die Maoisten
eingeprügelt, doch der Streik ging weiter. Die Demonstranten wurden mit der Zeit allerdings weniger - die Bauern von den Dörfern fuhren wieder zurück nach Hause, um ihre Familien wieder zu
versorgen.
7 Tage stand das gewöhnliche Leben in Nepal still. Als wir am 8. Tag am frühen Morgen plötzlich wieder von Motoren- und Hupgeräuschen geweckt wurden, wussten wir, der Streik war vorbei. Einfach
so, ohne die große Randale, die jeder erwartete. Der Premierminister war weiter in seinem Amt und alles war scheinbar wie vorher. Wir waren froh, dass wir nun wieder Dinge unternehmen konnten:
Mit dem Taxi in die Innenstadt fahren, um endlich im Kaiser Garden Käsekuchen essen zu können, oder zum Supermarkt Toilettenpapier kaufen. Denn dieser wichtige Vorrat neigte sich nach 7 Monaten
nun tatsächlich dem Ende! Und unser Tank? Steht nach wie vor grundiert auf dem Hof und wartet darauf, dass die Farbe irgendwann geliefert wird, während Irwin jetzt erstmal in den wohlverdienten
Urlaub fährt! :-)
GEWINNSPIEL:
Die Antworten zu unseren letzten Gewinnspielfragen sind:
- Der Ganges hat tatsächlich 1,5 Mio Bakterien auf 100ml
- Kathmandu hat nur 6 einsatzbereite Feuerwehrfahrzeuge.
Wir haben unter allen Kommentatoren die Gewinner unserer letzten Gewinnspiele gezogen:
Nina (Bodh-Gaya)
Nicola (die letzten Tage Indiens)
Axel (Namaste Nepal Deluxe-Gewinnspiel)
Herzlichen Glückwunsch!!
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nicola (Donnerstag, 13 Mai 2010 18:57)
cool, ne postkarte!! dafür kriegt ihr auch ein päckchen....
und till: DER bart?!?!
damit siehste ja aus wie peter lustig!
Dr. Love (Donnerstag, 13 Mai 2010 21:29)
noch nie, aber bald wenn ich nicht wieder gewinne...
Sandra (Freitag, 14 Mai 2010 10:06)
Der Bart ist schief ....
Ich versuche jeden Morgen zu streiken, aber das klappt irgendwie nicht, wenn man Kinder hat ...
Hase (Freitag, 14 Mai 2010 12:20)
Hatte die Kommentare noch nicht gelesen und habe auch sofort an Peter Lustig gedacht! Ohne Witz!
Ich werde vermutlich in einen Verzweiflungsstreik treten, wenn ich die Wirtschaftsklausuren meiner 11. Klasse durchgesehen habe...aber ich befinde mich ja im vorläufigen Endspurt...das gibt Kraft;)
@Peter Lustig: die Fahrradzeitschrift ist noch rechtzeitig angekommen!
Froschfahrer (Samstag, 15 Mai 2010 07:03)
Wie bitte, Peter Lustig ? Ich dachte da mehr an Lemmy Kilmister von Motörhead !!!
Und wieso ist der Bart schief ???
connyandtommy (Samstag, 04 September 2010 11:07)
Hi ihr Beiden,
die mit dem lustigen Overlander-Fahrzeug, das sind die Schweizen "six-en-route" mit ihren vier Kindern. Wir hatte sie im Mai 2009 schon on Namibia getroffen.
Viele Grüße und alles Gute
Conny & Tommy aus Bad Tölz