
Es war kurz nach Mitternacht. Wir waren noch wach und nutzen den nächtlichen Strom für das Internet, da erfuhren wir vom Nachtwächter, dass „die Mutti“ ihre Welpen bekommen hatte. „Die Mutti“ war eine von sechs Haus- und Hofhunden, die Irwin auf seinem Werkstattgelände wohnen ließ. Gefüttert wurden sie zwischendurch mal mit Keksen oder Essensresten, doch ansonsten galten sie als normales Selbstversorger-Straßenhund-Rudel. Sie hatten ein Luxus-Quartier unter alten Autos und bekamen tägliche Streicheleinheiten von den Angestellten. Leider war der riesige Müllplatz vor der Haustür ihre größte Essensquelle. Das bedeutete für manchen Werkstatthund aus der Vergangenheit den Tod, da sie Gift oder sonstiges Unverdauliches gefressen hatten.
Natürlich waren wir neugierig auf die kleinen Welpen. Sieben an der Zahl quiekten uns schon von Weitem entgegen. Doch beim Anblick der Mutti und ihrer Kinder war sofort klar: hier stimmt etwas nicht. Die Mutti hatte den Babys den Rücken zugekehrt, die verzweifelt auf der Suche nach den Zitzen waren. Wir legten sie an, doch die Mutti rührte sich nicht. Wasser und Futter verweigerte sie, sie lag einfach nur mit halb geschlossenen Augen da. Wir durchforsteten das Internet und beschlossen, gleich am nächsten Morgen einen Tierarzt kommen zu lassen. Vielleicht hatte sich ihre Gebärmutter entzündet und ihr war mit Antibiotikum zu helfen? Doch der nächste Morgen sah mal wieder anders aus.
Die Mutti war weg, die kleinen Babys hatte sie alleine zurück gelassen. Der Nachtwächter war überzeugt, dass die Mutti nur auf der Suche nach Futter war. Doch Tills Gefühl wusste es besser: sie
hatte sich zum Sterben zurückgezogen. Till schwang sich auf sein Fahrrad und fuhr die ganze Gegend ab. Keine Mutti. Zurück an der Werkstatt entdeckte er sie dann unter einem der Autos. Sie war
tot.
Warum passieren diese Dinge immer uns? Scheinbar ziehen wir diese Tier-Rettungs-Aktionen immer wieder unbeabsichtigt an, denn natürlich blieb uns mal wieder keine andere Wahl, als nun erstmal
Pflegeeltern für die kleinen Hundebabys zu spielen, bis wir eine Lösung gefunden hatten. Die Leute von der Werkstatt hatten kein wirkliches Interesse daran und waren mehr als froh, als ich am
frühen Morgen die Kleinen in eine Kiste verfrachtete und mit zu uns zum Frosch nahmen. Till raste derweil auf seinem Rad zum Supermarkt: Nuckelflaschen und Milch mussten schnellstmöglich her, wer
weiß, wann die Babys das letzte Mal getrunken haben oder ob die Mutti überhaupt Milch geben konnte?
Sämtliche Fütterungs-Maßnahmen hatten wir uns in der Nacht schon im Internet angelesen. Und nun versuchten wir alle 3-4 Stunden die Babys von den Gummi-Saugern und der Pulver-Milch zu überzeugen. Am Anfang enttäuschend schlecht als recht. Doch nach und nach gewöhnten sich ein paar an die Gummi-Zitze und sogar die Kleinste von allen wurde zur besten Trinkerin. Nach dem Trinken folgte jedes Mal die Popo-Massage. Wir hatten gelesen: die Hundemutter leckt ihren Babys nach dem Trinken über den Popo, um so die Verdauung anzuregen. Wir imitierten dies mit leichtem Taschentuch-Streicheln und waren fasziniert, was sich die Natur so alles ausdenkt: es klappte. Jeder konnte sich lösen und es stank erbärmlich!
Wir waren stolz auf unsere Babys und auch ein bißchen auf uns, dass alles von Mal zu Mal besser klappte. In der ersten Nacht war es wie eine Belohnung, wenn alle getrunken hatten und tief
und fest schliefen, bevor in zwei bis drei Stunden die nächste Runde ausgeschenkt wurde.
Doch dann kam der erste Rückschlag und wir mussten feststellen, dass eine der Kleinen auf einmal sehr schwach war. Sie ließ das Köpfchen hängen und an Trinken war bei ihr gar nicht mehr zu
denken. Sie starb kurze Zeit später. Wir waren geknickt. Leider sollte es nicht der letzte Rückschlag sein: Die Kleinste und beste Trinkerin zeigte einen Tag später plötzlich die gleichen
Anzeichen. Sie schleppte sich noch durch unsere schlaflose Nacht und entschied sich dann aber am Morgen ihrer Schwester und der Mutti zu folgen. Till musste ein weiteres Grab neben dem Frosch
buddeln.
Verzweiflung, Frust und Enttäuschung stand uns ins Gesicht geschrieben, als dann auch noch die Nächste kleine Dame den Nuckel verweigerte und nur mit viel Überredungskunst ein paar Schlücke trank.
So konnte es nicht weitergehen. Die Babys waren jetzt fünf Tage alt und wir würden maximal noch zwei bis drei Wochen bei der Werkstatt bleiben. Wer kümmert sich nach unserer Abreise dann Tag und Nacht darum, dass alle satt werden? Würden bis dahin überhaupt alle überleben? Wieder half uns das Internet, als wir uns auf die Suche nach einer Tierorganisation in Kathmandu machten, die sich um Straßenhunde kümmern.
Wir fanden die Seite animalNepal.org und Till fuhr mit seinem Rad zu deren Stadtbüro, das zum Glück in der Nähe von uns war. Ein sehr netter junger Mann bot Till an, dass er mit uns zur animalNepal-Tierstation fährt, wir uns alles angucken können und dann entscheiden können, ob wir die Babys dort lassen. Sie würden sich dann drei Monate um sie kümmern und sie dann zurück zur Werkstatt bringen. Gesagt, getan. Wir fütterten eine letzte Runde, putzten unsere Babys heraus und fuhren dann mit dem Taxi zur Tierstation.
Hier erwartete uns ein großes Gelände mit Hunde-Gehegen und Auslaufflächen. Ein Tierarzt war hier ständig vor Ort, denn die Organisation hat es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht,
Straßenhunde zu sterilisieren, um deren rasant ansteigende Vermehrung einzudämmen. Sie sammeln die Hunde in bestimmten Gebieten auf, operieren sie und lassen sie, nachdem alles verheilt ist,
wieder in ihrem alten Revier aus. Auch kümmern sie sich z.B. um Esel und um verletzte Straßenhunde. So haben wir zum Beispiel einen Hund kennen gelernt, der beide Beine gebrochen hatte und nun in
seinem Gehege gesund auf und ab gesprungen ist. In ein paar Wochen wird er entlassen und zurückgebracht, wo man ihn gefunden hat. Ein anderer Hund kam ohne Fell zu ihnen. Inzwischen ist er seine
Reude los und sein Fell ist nachgewachsen. Einer wird wohl für immer dort wohnen bleiben: er ist ein älterer Straßenköter, der inzwischen auf beiden Augen blind ist. Es sei denn, es findet sich
jemand, der ihn aufnehmen möchte. AnimalNepal hat überall in Kathmandu Aushänge-Flyer verteilt, mit denen sie ihre Hunde zu vermitteln versuchen. Vielleicht können unsere Welpen ja nach 3 Monaten
auch vermittelt werden und müssen nicht zurück ins Straßenhunde-Leben.
Nachdem wir uns alles angeschaut hatten, wurden unsere Puppies von unserer Kiste in ein gemütliches Bettchen umgebettet und bezogen sofort ihr eigenes Zimmerchen mit Gittertür. Eine sehr
sympatische Nepalesin ist ab jetzt ihre neue Pflegemutter und wird sie nun regelmäßig mit der Flasche füttern. Und sollten Probleme auftauchen, ist ja zum Glück gleich ein Tierarzt vor Ort, der
mit Rat und Tat zur Seite steht.
Spendenaktion:
Wir möchte heute ein kleines Hilfsprojekt für Tiere mit euch starten: Da AnimalNepal nicht nur uns geholfen und die Welpen aufgenommen hat, sondern sich um sämtliche Tiere und die
Straßenhunde sorgt und viel Geld für teure Operationen ausgibt, möchten wir sie finanziell unterstützen. animalNepal gibt es erst seit 2009 und kann jeden Rupee gebrauchen, um für sämtliche
Tiere, vor allem Straßenhunde, in Kathmandu da zu sein. Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr mitmacht! Spendet mit uns für animalNepal – mit jedem noch so kleinen Betrag kann hier geholfen
werden! Und keine Sorge, wir brennen nicht mit dem Geld durch!
Unter allen Spendern werden wir ein kleines Überraschungspaket aus Nepal verlosen.
Die Spendenaktion läuft ab jetzt bis zum 31. Mai 2010.
Da es sich um eine rein private Spendenaktion handelt, können wir keinen Spendenbeleg aushändigen. Wir bitten um euer Verständnis.
Vielen Dank, dass ihr mitmacht!
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dieKönigin (Samstag, 15 Mai 2010 09:24)
och Menno, die armen kleinen Babies! Mensch Amelie, Du kannst doch nicht eine so herzzerreißende Geschichte veröffentlichen.... jetzt sitzt die Königin hier und flennt!
Etwas weiteres Positives hat das Ganze aber: ihr seid schon bestens geübt für weitere Baby-Abenteuer mit nächtlichen Fütterungseinlagen! :-)
love&kisses
die Hummel (Samstag, 15 Mai 2010 17:27)
Scheint so`n Mutterding zu sein: ich muss auch weinen! Mal wieder: gut gemacht, Ihr Zwei - Animalrescuesquad! Dicken Kuss
Dominique (Samstag, 15 Mai 2010 18:45)
Ihr seid Helden!!!!!
Marcus (Sonntag, 16 Mai 2010 15:16)
Ihr würdet der Spendenbereitschaft ein wenig entgegen kommen, wenn Ihr die international üblichen Bankdaten IBAN und BIC/SWIFT verwendet würdet. Überweisung per PayPal wäre nochmal besser.