Monsun: Wenn aus Spaß auf einmal Ernst wird (Teil 2)

Die drei Nepalis kamen weder mit Kran noch mit sonstigem schweren Gerät. Sie hatten einzig und allein ihre Muskelkraft, Spaten und vor allem Köpfchen. Es hieß den Schwerpunkt zu verlagern. Unter vollem körperlichen Einsatz buddelten die Männer mit Till und Mark unter den rechten Rädern tiefe Löcher. Danach zogen alle Helfer und Zuschauer so lange an dem seitlich befestigten Abschleppseil, bis der Frosch in Bewegung kam und nach rechts in die tiefen Löcher für die Räder rutschte. Aufatmen! Der Frosch war wieder gerade und lag nicht mehr mit seinem vollen Gewicht auf der Abbruchkante.

Da die Wand am hinteren Reifen stabiler wirkte als vorne, musste der Frosch nun halb rechts nach vorne von der Wand gefahren werden, um von dieser Stelle wegzukommen. Wir sprachen schon davon, alle Helfer zu einem leckeren Frühstück einzuladen. Dass wir davon noch weit entfernt waren, wußten wir nicht.

 

Die Hoffnung, hier und jetzt heile aus der Sache herauszukommen, war groß. Doch sie kollabierte zusammen mit dem hinteren Teil der Wand, als Till den Frosch einen Meter nach vorne fuhr. Zwar war er jetzt ein paar Zentimeter von der instabilen Wand vorne entfernt, hing nun aber wieder in totaler Schieflage – diesmal mit einem Reifen im Abgrund!

 

Die kleine Winde von Mark hielt den Frosch nun vorne rechts und die beiden großen Abschleppseile gaben wieder die alte Stabilität. Während Till noch aus dem Frosch sprang, lag der Frosch hinten bereits mit seinem Chassis auf. Wenn die Wand nicht noch weiter brach, würde der Frosch in dieser Position bleiben. Die Männer handelten innerhalb von Sekunden und bauten mit den Steinplatten, die auf einem Haufen herumlagen, eine Befestigung unter dem hängenden Reifen. Diese Arbeit machten sie definitiv nicht das erste Mal! Es dauerte seine Zeit und viel Schweiß, doch dann war der Frosch in diese Richtung ebenfalls abgesichert. Doch was jetzt?

 

Jo war in der Zwischenzeit mit einem Taxi im nächsten Dorf gewesen. Eigentlich wollte sie Öl für die größere Winde an deren Truck organisieren. Doch statt mit Öl, kam sie mit dem nepalesischen „Dorf-ADAC“ zurück und diese drei Jungs brachten eine große Winde mit, die 10 Tonnen halten sollte. Nun wurde vorm Frosch ein tiefes Loch gebuddelt. Danach kauften wir dem Nachbarn einen 1,50m langen und 20cm dicken Baumstamm ab, der nun als Anker für die Winde im Loch verschwand. Das Loch wurde wieder zugebuddelt und das Gegenstück am Frosch angebracht. Zentimeter für Zentimeter wurde der Frosch nun aus seiner verfänglichen Lage gebracht und nach vorne rausgezogen. Alle nahmen großen Abstand von den Jungs und ihrer Winde, denn ungefährlich war diese Aktion weiß Gott nicht.

 

Der Frosch ächzte und krächzte, aber er kam heraus! Nun stand er direkt vor der Mauer zum Fussballfeld – Sackgasse. Und jetzt? Wie soll der Frosch dort wieder herauskommen? Die Jungs vom Abschleppdienst machten eine Mittagspause und bis sie zurückkamen, hatten wir die Hoffnung, dass sie wissen, was sie tun – schließlich waren sie zwischen Pokhara und Kathmandu das einzige „Abschleppunternehmen“ und hatten schon so manchen Bus und LKW aus dem Abgrund befreit. Doch auch diese Hoffnung starb. Denn als sie eine halbe Stunde später zurückkommen, war der Chef der Truppe so betrunken, dass er sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte!!

 

Und eben dieser Chef war jetzt der Ansicht, dass Till mit ganz viel Schwung einfach zurücksetzen sollte. Das würde schon passen. Na herzlichen Dank für diese großartige Idee. Er war überzeugt, dass die Wand schon halten würde. Dass der Frosch wieder mitten in seinem ursprünglichen Loch landen würde und wohlmöglich auch noch der vordere Teil der Wand unter dem Vorderrad zusammenbrechen könnte, konnte er sich bei bestem Willen nicht vorstellen. 

 

Mark hatte die endgültige Idee parat: Warum setzen wir den Frosch hinten nicht auf Holzplanken, seifen diese Holzplanken mit Pril ein, befestigen die große Winde am Baum und ziehen den Frosch über die rutschigen Holzlatten Stück für Stück zur rechten Seite? So steht der Frosch dann zum Schluss mit seinen Hinterreifen so weit vom Abgrund weg, dass Till ihn ohne Bedenken zurücksetzen kann. Diese Idee fand der Abschlepp-Boss übrigens gar nicht gut. Inzwischen wurde es anstrengend, mit ihm zu kommunizieren, da seine Helfer mehr auf Mark und Till hörten, als auf ihn und dass wir seine Idee nicht umsetzten passte ihm überhaupt nicht.

 

Wir ließen uns auf keine Diskussion ein und schafften Holzbretter herbei. Till fuhr den Frosch mit den Hinterreifen auf die Bretter. Danach wurden diese mit Pril eingeseift. Nach weiterem Theater mit dem betrunkenen Chef, der inzwischen nur noch im Weg herumstand und die Arbeit behinderte, war die große Winde endlich befestigt und wurde angezogen. Doch der Frosch bewegte sich nicht. Nun kamen wieder die Wagenheber in Einsatz. Leicht aufgebockt ließ sich der Frosch nun Millimeter für Millimeter über die Holzbretter ziehen, wenn er sich nicht mehr bewegte, wurden die Wagenheber wieder neu unter den Frosch gesetzt und so ging es langsam aber sicher in die richtige Richtung. Nach einer gefühlten Ewigkeit und glücklicherweise kurz vorm Sonnenuntergang stand der Frosch so, dass er rückwärts aus seinem Dilemma herausgefahren werden konnte.

 

Und dann stand er da – als wäre nichts gewesen. Nur noch das Schlamm-Chaos und die eingebrochene Wand verrieten, dass hier vor 12 Stunden ein Frosch in Schieflage geraten war.

 

Bei jeder Menge Bier wurde die geglückte Rettung gefeiert und erschöpft, aber unendlich erleichtert, ging jeder in dieser Nacht schlafen.Für den Schaden an der Mauer sowie den Einsatz der gesamten Helfer konnten wir finanziell aufkommen. Glücklicherweise riss dieses Abenteuer kein großes Loch in unsere Reisekasse. Auch am Frosch konnten wir bisher keinen Schaden feststellen – er scheint uns seine Schräglage nicht allzu übel genommen zu haben. Und auch Mark, der beim Holzbretter-Organisieren erst ausrutschte und sich schmerzhaft am Kopf verletzte und danach auch noch mit Schwung eines der Holzbretter ins Gesicht bekam, so dass seine Lippe aufplatzte, mag uns glücklicherweise immer noch!

 

Wir sind unendlich dankbar für die ganze Hilfe, die wir an diesem Tag bekommen haben, dankbar für die brilliante Idee, den Frosch über das Holz zu ziehen und dankbar, dass unsere Reise weitergeht.  So nah am Himalaya, dem Dach der Welt, wo die Götter zu Hause sind, hat mindestens einer von ihnen an diesem Tag unsere Gebete erhört, den Frosch zu retten. Danke!

 

Gewinnspiel:

 

Der Gewinner der Postkarte aus unserem ersten Teil ist Erzengel Gabriel. Bitte schicke uns erneut deine Adresse zu. Vielen Dank!

 

Die neue Gewinnspielfrage lautet: In welchen Schlamassel habt ihr euer Fahrzeug schonmal hereingefahren, aus dem ihr nur mit Hilfe befreit werden konntet? (Schlamm, tiefe Asphalt-Löcher auf der Autobahn...) Wir freuen uns auf eure Geschichten!

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Kommentare: 10
  • #1

    Nina (Mittwoch, 01 September 2010 14:14)

    Schoen, dass das gut gegangen ist! :)

  • #2

    DieKönigin (Mittwoch, 01 September 2010 16:57)

    Was für ein Abenteuer. Das Lesen war schon spannend, wie muss es erst live gewesen sein.....?

    Auch wenn ich beim letzten Mal schon wieder keine Postkarte gewonnen habe, gebe ich nicht auf. Es begab sich nämlich zu einer Zeit, als.....

    'DieKönigin', frische achtzehn Jahre alt und einen frischen rosafarbenen Lappen in der Tasche, in ihrem schicken schwarzen 2er Golf auf dem Weg nach hause war. Ihr zuhause lag hoch auf einem Berg, nur über eine lange steile Ortsstraße zu erreichen. Nicht immer ganz einfach im tiefsten Winter, wenn die Straßen zentimeterdick mit Schnee bedeckt sind. Die Königin aber war nicht blöd und dachte sich, mit Schwung sei der Berg sicherlich mit Leichtigkeit zu bezwingen. Die scharfe Kurve, die am Fuße der Bergstraße lag, war jedoch nicht Teil ihres Kalküls. Und wie zu erwarten, endete das schwungvolle Manöver direkt vor Bauer Müllers Mauer. Peinlich genug, in dem Schneehaufen vor der Mauer festzustecken und nur mit Müh und Not wieder heraus zu kommen. Noch peinlicher aber, dass des Königinnen Vater sie nur abzuholen bereit war, indem sie es erneut versuche - ohne Schwung zu nehmen - und Vater mit seinem Wagen folgt. Gesagt getan, die ersten 600 Meter schnurrte der Golf mit Leichtigkeit den Berg hinauf, doch dann, an der steilsten Stelle des Berges und der Gipfel noch in weiter Ferne, drehten alle vier Räder durch, der Wagen schlingerte von einer Straßenseite zur anderen, dieKönigin mit Schweißperlen auf der Stirn gegen die Schwerkraft ankämpfend, gab immer mehr Gas und lenkte wie eine Wilde, aber das Auto bewegte sich nicht mehr von der Stelle. Was dann geschah, sorgte über Jahre für Gesprächsstoff. DieKönigin schien den Kampf fast verloren, da kam Vaddi mit seinem A4 quattro locker lässig elegant an ihre Seite gefahren, ließ das Beifahrerfenster herunter und brüllte "DU MUSST EINEN GANG HOCH SCHALTEN, DU DUMMES HUHN!!" und brauste davon.
    Das mit dem Hochschalten und Fuß vom Gas hat dieKönigin geschwind kapiert, aber wieso ausgerechnet zu diesem Tag zu dieser Zeit die coolen Nachbarsjungs auf der Straße standen, begreift sie bis heute nicht.

  • #3

    Hase (Mittwoch, 01 September 2010 18:06)

    Mein lieber Herr Gesangsverein, was für eine (Schlamm-)Schlacht - aber ihr habt sie gewonnen! Gott sei Dank.

  • #4

    Amelie (Mittwoch, 01 September 2010 19:21)

    Liebe Königin! Seeehr schöne Geschichte!!! :-)) Mussten gerade wirklich schmunzeln! Kisses!

  • #5

    Alexander (Mittwoch, 01 September 2010 22:56)

    Hi ihr beiden,
    prima, wie ihr den Frosch da raus bekommen habt. Besser hätte das eine Feuerwehr auch nicht geschafft. Ganz im Gegenteil: Großes Lob für diese schlaue Froschrettung!
    Gruss
    Alexander

  • #6

    Alexander (Mittwoch, 01 September 2010 23:10)

    Achso:
    <Schlaumeiermodus ein>
    Die Winde der Jungs nennt sich übrigens Greifzug oder Mehrzweckzug.
    <Schlaumeiermodus aus>
    Das war übrigens das einzig richtige Werkzeug. Der Greifzug hat nämlich innendrin "Froschklemmen", die das Seil festhalten ;-)
    Was hätte also dem Frosch besser helfen können?
    :-)
    Alex

  • #7

    Inkognito-leserin (Donnerstag, 02 September 2010 15:54)

    Hallo
    Ich verfolge alle eure Blogs,und freue mich über jede neue Geschichte.
    Das letzte Abenteuer war echt spannend.
    Dieser Mark erinnert an einen Jungen der sich die Nase reibt und Funken sprühen !!!

  • #8

    Sandra (Freitag, 03 September 2010 07:51)

    Hallo ihr Zwei!

    Schön mal wieder was von euch zu lesen...:-)
    So spannend die Geschichte auch ist, ich freu mich endlich ein Foto von dem Babybauch zu sehen.
    Herzlichen Glückwunsch...

    Liebe Grüße von Sandra aus Hildesheim

  • #9

    helga & Jürgen (Sonntag, 05 September 2010 13:02)

    Hallo Amelie und Till,
    na, da habt Ihr ja eine Aktion hinter Euch! Wir können nachvollziehen, wie sich das angefühlt haben muss. Sind sie doch alles was wir noch haben - unsere Fahrzeuge. Wie geht es denn bei Euch weiter? Habt Ihr schon konkrete Pläne? Wir fliegen morgen nach Darwin und hoffen unser Bestes Stück schnell und unversehrt wieder beziehen zu können.
    Schöne Grüße aus Singapur die orangetrotter

  • #10

    Cathrin Eßbach (Sonntag, 12 September 2010 19:08)

    mit schweißtropfen auf der stirn haben wir gerade in unserem caravan euren blog gelesen und besonders das letzte erlebnis ließ uns den atem stocken! alles gute weiterhin, wir bleiben sporadisch dabei und drücken euch die daumen.
    cathrin + jan