
Keine Eile, keine Pläne. So könnte man unsere derzeitige Reisesituation wohl am besten beschreiben. Als wir vor vier Jahren das erste Mal Richtung Indien aufbrachen, fuhren wir so gut wie jeden Tag. Das Motto "keine Eile" hätte definitiv nicht zu uns gepasst, wobei 10 Wochen Fahrt bis Goa recht lang war - es gibt Overlander, die schaffen es vom Harz bis Delhi in 11 Tagen! Theroetisch gesehen hatte wir damals viel Zeit, irgendetwas trieb uns damals aber an und sei es, dass wir Weihnachten unter Palmen verbringen wollten. Auch beim zweiten Mal Richtung Indien waren wir mehr als im Stress - 6 Wochen bis Goa, das war die Bike Begleittour, die viel Nerven gekostet hat. Dann hatten wir „nur“ 4 Monate in Goa und schon stand der Rückweg als Begleitbus wieder an. Irgendwie hatte man immer die Zeit im Nacken, kaum war man endlich in Goa angekommen, zählte man schon wieder rückwärts und wieviel Zeit einem in seinem kleinen Paradies nur noch blieb bis man wieder mit Adrenalin durch Pakistan fahren musste. Total bekloppt. Und diesmal?
Wir wollten 2-3 Tage in Freiburg bleiben, waren im Endeffekt aber 3 Wochen dort, weil wir es einfach so schön dort fanden. Ich kann mich nicht dran erinnern, dass wir dann auf dem Weg hier her
auch nur einmal zum Sonnenaufgang losgefahren sind, wie sonst immer, fast keine Etappe war länger als 200km. Was sogar ganz untypisch für uns ist, weil es für die Überlandstrecke nach Indien nie
machbar war: nachmittags erst loszufahren und im Dunkeln irgendwo ankommen, wo man noch nie war. So war es, als wir aus Lissabon los sind und zum Stellplatz unserer Bremer Bekannten Steffi und Olaf wollten (www.keine-eile.de). Sie standen mit ihrem 710er Rundhauber Benz am Strand an der Algarve. Eigentlich war es auch ganz
spannend, im Dunkeln anzukommen. Wir waren gefühlt schon ewig auf einem Feldweg Richtung Meer unterwegs und da ich nicht mehr sehen konnte als die Scheinwerferlichter hergaben, konnte ich mir die
"Hilfe, kommen wir hier je wieder raus" Gedanken sparen. Ich konnte ja eh nix sehen. Viellecht sollten wir immer im Dunkeln fahren. Entspannte mich ungemein. Wirklich! 500m vor Steffis und Olafs
GPS Punkt tauchten dann am Feldweg die ersten geparkten VW Bullis und Womos auf. Der Weg wurde immer steiniger und Till beschloss das letzte Stück mit einer Taschenlampe abzugehen. Zum Glück,
denn dort wären wir niemals heile wieder rausgekommen ohne Bodenfreiheit und Allrad. Wir beschlossen, dort neben den anderen Womos auf der freien Fläche über Nacht zu parken. Es war stockduster
draußen mit dem herrlichsten Sternenhimmel seit Goa. Man hörte das Meer und es roch nach Urlaub aus Kindertagen als ich aus dem Bus stieg. Wer schon mal auf Sylt war und den Geruch in der Nase
hat, wenn man über die Holzbohlen durch die Dünen zum Strand geht - so riecht auch die Algarve. Heide und das Salzwasser in der Luft? Ich weiß es nicht, aber es roch sehr vertraut und wohlig -
angekommen irgendwie. Da machte es auch nichts aus, als unser Parkplatznachbar (zwar mit weißem Mobil, aber kein klassischer Joguhrtbecher, auch wenn er sich so benahm...)sofort und in der
Sekunde, als wir den Motor ausmachten, anfing, uns erzählen zu müssen, warum wir hier jetzt nicht parken dürften, obwohl hier an die 6 Fahrzeuge einfach frei herum standen, die man sehen konnte,
wenn man mit der Taschenlampe herumleuchtete. Er zählte hektisch irgendwelche Anwohner oder Nachbargrundstücke auf, als hätte er das falsche Zeugs geraucht. Es war stockfinster (es konnte uns
keiner sehen, so wie auch wir keinen sehen konnten), wir hätten kein bißchen wenden können aber der Herr mit dem Kennzeichen aus OHZ steckte in deutscher Manie erstmal sein gesamtes Revier ab,
das ihm bloß keiner wegnehmen durfte. Aber trotzdem einfach erstmal den Lauten machen. Schon klar. Wir sagten nix, stiegen ein und fuhren noch ein bißchen näher an ihn heran. Nur so zum Spaß.
Nein, natürlich nicht. Sondern weil wir den halben Feldweg blockierten. Und mit einem blockierten Feldweg würden wir mit Sicherheit in Ungnade fallen bei irgendwelchen Anwohnern, dachten wir
uns.
Der nächste Morgen war traumhaft. Aufwachen und neugierig aus dem Fenster gucken, wo man denn des nachts nun eigentlich gelandet war: wir befanden uns auf einer Klippe inmitten der Natur, Sonne
satt, strahlend blauer Himmel und überall auf dem Gelände verteilten sich die Womo-Fahrzeuge. Ob da die Nacht noch eins mehr oder weniger stand war nun wirklich völlig egal. Steffi und Olaf
grinsten über unsere Geschichte und erzählten von einer Bucht weiter. Zwar hatte es da seit neustem einen gepflasterten Parkplatz, wo alle in Reih und Glied parken "müssen", aber der Strand war
traumhaft. Und das ist er. Leider ohne Internet oder Handyempfang, aber ansonsten wie beim Universum bestellt: die Kinder können rumlaufen ohne dass man sofort hinterher muss, keiner meckert,
dass man hier steht, keine klassischen Joghurtbechernachbarn (die mit einem blauen Bus und Kindern nichts anfangen können und sich durch den Anblick eines solchen Busses schon gestört fühlen)
sondern ein paar Hippies, Surfer und Gleichgesinnte, jeder hat irgendwie einen Hund dabei, Alternativ eine Katze. Tiere und Menschen verstehen sich. Peace & Harmony, zumindest auf diesem
Quadratkilometer der Erde.
Gefühlt haben wir das erste Mal seit Abfahrt keine Eile und vor allem keine konkreten Pläne. Wie Hugos Tante Patty interpretierte: wir mussten erst zweimal nach Indien und zurück fahren und
endlich ist der Weg mal das Ziel. Den einen Tag denken wir über Marokko nach, am nächsten Tag kann das schon wieder hinfällig sein gleich nach dem Motto: was interessiert mich mein Geschwätz von
gestern und am dritten Tag wird Marokko wieder hoch gehandelt, um am fünften Tag wieder davon Abstand zu nehmen. Wir schauen einfach mal, was so passiert, vielleicht wird es uns in ein paar
Wochen langweilig in Portugal. Wer weiß. Im Moment ist es hier auf jeden Fall so, wie wir es uns gewünscht haben. Das Wetter ist für europäische Verhältnisse großartig: wer kann schon Mitte
Dezember in Tshirt, kurzen Hosen und Flip Flops in der Sonne sitzen und sich über einen ersten leicht gebräunten Teint freuen? Zwischendurch ist es zwar mal wolkig, ein bißchen regnerisch und
windig, aber spätestens nach zwei Tagen wieder blauer Himmel und Sonnenschein - damit können wir leben. Wenn wir einkaufen müssen, können wir mit dem Rad oder unserem Bus zum nächsten Ort zum
Supermarkt fahren, dort zur Post gehen um DO Easys und Buchbestellungen zu verschicken oder ins 20km entfernte Lagos zum LPG Gas und/oder Wasser tanken oder entsorgen fahren, wenn wir ein bißchen
"Stadtleben" wollen. Mal sehen, wie lange wir hier in der Ecke bleiben - das Schöne ist ja, es hetzt uns ja nichts!
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