
Seit einer Woche stehen wir jetzt am Santa Clara See. Eigentlich wollten wir nur mal schnell vorbeischauen und dann wieder zurück Richtung Ferragudo/Portimao. Mal eben kurz das Grundstück von Freunden, das in der Nähe sein soll, angucken und wieder los. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Auf Ferragudo und die gesamte Küste zog mal wieder ein ziemliches Sturmtief zu. Laut neustem Wind-App und diversen Wettervorhersagen wie gewohnt mit ordenlich Karacho. Steht man falsch, bläst einem der Wind permanent den Gaskühlschrank aus. Die Jungs fanden Sturm im allgemeinen auch nicht so prickelnd. Wenn man nur 1m groß ist, bekommt man ständig den aufgewirbelten Sand ins Gesicht. Till mochte Sturm auch nicht - kann ich verstehen, wenn man keine Haare hat. Wenn sich Sturm also vermeiden lassen würde: sehr gerne. Wir überlegten ins Landesinnere "zu fliehen". Wir wollten seit Ewigkeiten das Grundstück unserer Freunde ausfindig machen und so machten wir uns auf Richtung Monchique bzw. Santa Clara Stausee.
Am See wollte das Navi, dass wir rechts abbiegen. Schotterpiste. 20km trennten uns noch vom Stellplatz, den unsere Freunde uns in der Nähe ihres Grundstücks empfohlen hatten. Ich hatte mal wieder
die Hosen voll hier lang zu fahren. Hätten wir noch unseren LKW hätte sich Till wenig an meinem unguten Gefühl gestört, hätte Allrad zugeschaltet und wäre ab durch die Mitte. Aber mit dem
riesigen Bus ohne Bodenfreiheit und Allrad? Entweder er hatte keine Lust auf Diskussionen mit mir und gab als Klügerer einfach mal nach - oder, vielleicht hatte ich auch einfach mal recht, dass
man hier nicht mit dem Bus langfahren kann, weil man auch mit einem Hollandrad und Flip Flops derzeit stecken bleiben könnte?
Umdrehen und zurück an die Küste war definitiv keine Alternative. Wir hatten eine gefühlte Ewigkeit für diese 70km gebraucht. Also fuhren wir die Straße zurück bis zu einem Schild, das Richtung
"See" zeigte. Dieser Platz entpuppte sich als Jackpott! Hochidyllisch und absolut windgeschützt! Während an der gesamten Küste für ein paar Tage der Wind langfegte und 9 Meter hohe Wellen an der
Westküste vorausgesagt wurden, bewegte sich hier noch nicht mal ein Blatt am Strauch! Fantastisch! Wo dieser Platz ist? Sag ich heute nicht. Hier ist nämlich nicht wirklich viel Platz und
Womo-Kuscheln könnte die gesamte Atmosphäre etwas verderben. ;-)
Am nächsten Tag schwangen wir uns auf's Rad. Ich kam 500m weit, dann musste ich das erste mal schieben. Oh man, dieses Rad. Neulich fragte mich jemand, ob ich in Bezug auf die letzten Jahre
irgendwas anders machen würde. Ja! Mir ein vernünftiges Fahrrad kaufen, am besten ein E-Bike!! Dann ging es über die Schotterstraßen. Bergauf, bergauf, bergauf. Oben angekommen ging es auch schon
wieder runter, um dann, ganz klar, wieder rauf zu schieben. Till motivierte unheimlich gut. Wir sind schon unter 10 km! Wow. Danke. Und dann ging es auch für ihn vom Rad. Tja, so schnell kann´s
gehen, wenn man die Kinder hinten dran hat und dann auch mit Antrieb nichts mehr geht! Und so schoben wir circa 20 Berge, ach, was rede ich, 50 Berge hoch und fuhren so schwungvoll wie es nur
ging runter um den nächsten Hügel so weit wie möglich hoch zu kommen. Die Jungs hinten im Anhänger mit Sonnenbrillen als Schlamm-Schutz. Ich weiß gar nicht, wie lange wir brauchten, bis wir
endlich am GPS Punkt angekommen waren, den Till sich notiert hatte. Wir standen irgendwo im nirgendwo. Nach Grundstück mit Mühle und See sah das hier aber nicht aus. Egal. Wir hatten den Jungs
ein Picknick versprochen und so gab es bei Ankunft an einem windstillen Plätzchen mitten auf dem Schotterweg Käsebrote, Kaka-Kao und Kekse. Leider ohne Handyempfang um unsere Freunde in
Deutschland anzurufen und nochmal genau nachzufragen, wo denn nun ihr Grundstück wäre, das sie seit einigen Jahren selber nicht mehr gesehen hatten. So eine Mühle und ein großer See verschwinden
ja nicht einfach so mir nichts dir nichts.
Wir fuhren den Weg zurück. Hier ging es nicht weiter. Hügel hoch, Hügel runter, einen anderen Hügel hoch und vielleicht wohnte da unten der Deutsche Nachbar, dessen Telefonnummer so wunderbar bei
uns im Bus am Kühlschrank hing... Till schnallte den Fahrradanhänger ab und heizte mit seinem Mountainbike den Berg runter. Auf sein "Hallo" meldete sich nur lautstark ein Hund, der ihn dann auch
gleich den halben Berg wieder hoch schickte. Vielleicht ist es die Mühle dort drüben? Es fing an zu nieseln. Abbruch. 11km zurück über die 35 Millionen Berge standen ja auch noch bevor. Kurz
danach drehte das Hinterrad meines verfluchten Dutch Classic, inzwischen Dirtbike, nicht mehr, zu viel fieser Lehm-Matsch unterm Schutzblech. Dann saugten sich beim Schieben auch noch meine Flip
Flops im tiefen Matsch fest und der Riemen riss aus der Sohle. Leckomio. Till fummelte den Lehm aus dem Rad, ich schob barfuss weiter und stopfte den Gummi-Fropfen wieder durch die Sohle. Hielt
erstmal. Irgendwann nach einer Ewigkeit kamen wir dann auch wieder beim Bus an. Dirty as hell und sehr glücklich über eine Dusche. Till wollte die Tage dann nochmal alleine los.
Wunderte mich nicht, schließlich war diese Strecke für sein E-Bike geradezu prädestiniert. Ohne Frau mit Classic Dutch Bike und Kindern im Fahrradanhänger - versteht sich.
Als Theo gestern Nachmittag zu einem Mittagsschlaf auf dem Bett zusammenbrach, war das die Chance auf die Till gewartet hatte. Er schwang sich auf sein Rad und ab ging's. Ich setzte Hugo vor den
Fernseher und startete Aufgenommenes aus dem Kinderkanal. Ich weiß, sein Kind vor den Fernseher zu setzen ist nicht das Gelbe vom Ei, aber ich wollte auch mal fünf Minuten "für mich". Ich
räumte den Bus auf und fegte den Teppich. Ich hätte Staubsauen können, genug Solarstrom war da, aber der Lärm...ich wollte ja nicht, dass Theo nach 10min wieder aufwacht. Ich ließ ihm eine
Stunde. Ich Voll-Honk hatte allerdings vergessen, ihm eine Windel anzuziehen. Nachdem er wieder wach war, zog ich also die Inkontinenz-Unterlagen von den Matratzen ab und schleppte die Matratzen
nach draußen in die Sonne. Ach schön, wie sich so ein Wäscheberg immer weiter anhäuft...Während Theo und Hugo dann draußen zuschauten, wie der portugiesische ADAC einen Camper auf seine
Ladefläche zog, passierte das nächste Windel-Drama. Hugos so eben vollgedrückte Pampers platzte. Und er saß auf dem Holz-Laufrad vom holländischen Nachbarsjungen. Scheibenkleister. Ich rannte
rein. Feuchttücher. Feuchttücher. Wo sind die verdammten Feuchttücher? Wo hatte ich sie hingeräumt? Leider nicht an ihren eigentlichen Platz. Ich fand sie in der Spielzeugkiste wieder. Muss ich
wohl beim Aufräumen mal wieder abgelenkt gewesen sein...In der Sekunde, wo ich die Feuchttücher fand, stellte Theo fest: Mein Papa ist weg. Drama. Zwei schreiende Kinder. Der eine, weil sein Papa
fehlte, der andere, weil er nicht vom Laufrad runterwollte und den Windelinhalt überall verteilte. Dazwischen eine hysterische Mutter, die dem Vater gerade sonst was wünschte.
Das alles war aber nicht ansatzweise so schlimm wie die wohl peinlichste Situation meines Lebens als Mutter, an die ich sofort denken musste: in Goa im Supermarkt als Theo vorne im Einkaufswagen
saß, nur mit Windel bekleidet und genau in der Sekunde, wo wir an der Kasse standen, musste Theo so dringend und genau dafür war die Windel aber zu klein. Ich erspare euch Details. Es war auf
jeden Fall so unglaublich peinlich und jeder, aber auch wirklich jeder hat geguckt, wie ich panisch zum Regal mit Windeln und Feuchttüchern rannte, die Kassiererin weiter in meditativer Ruhe oder
typisch indischem Desinteresse alle Preise sehr langsam eintippte, kassierte und ewig für das Wechselgeld brauchte. Damals wäre ich am liebsten einfach zu meinem Scooter gerannt und abgehauen und
nie wieder gekommen. Gott, war das peinlich. Egal.
Zurück nach Portugal: Ich weiß nicht, ob und wer diese Laufrad Aktion gesehen hat. Ich hoffe, die Camper-Abschlepp-Aktion war interessanter. Ich hab's auf jeden Fall alles wieder sauber gekriegt,
so wie damals den Einkaufswagen und den Supermarktfussboden....
Man sollte trotzdem vorsichtig sein, wenn man jemandem etwas Böses wünscht, denn es könnte in Erfüllung gehen und auch die Karma-Polizei in Alarmbereitschaft bringen. Zur gleichen Zeit
ereignete sich 11km entfernt nämlich folgendes: ein junger Mann heizte mit seinem Fahrrad die inzwischen knochentrockene Schotterpiste hoch und runter. Auf einmal schlidderte sein Hinterrad. Er
hatte einen Platten. Bingo. 11km in der totalen Pampa. Mal wieder ohne das Grundstück von unseren Freunden gefunden zu haben. Stattdessen entdeckte er ein Schild mit Fahrrädern und kurze Zeit
später einen holländischen Fahrradverleih. Mitten in der Pampa. Ist ja so ein bißchen wie eine Oase in der Wüste. Wer rechnet schon damit? Glück im Unglück? Der Holländer wollte nur partou nicht
mit einem Ersatzschlauch rausrücken. Auch nicht gegen Geld. Stattdessen gab es aber fünf Super-Schnell-Klebende Flicken for free, die ganze 500m weit hielten. Musste Till wohl doch schieben. Aus
dem Nichts tauchte ein weißer Kombi auf. Es war der Mann vom Nachbargrundstück mit dem schwarzen Hund. Er packte Till und das Rad kurzerhand mit ein und fuhr ihn zurück zu mir. Ich staunte nicht
schlecht, als Till mit dem Auto vorfuhr. Noch weniger schlecht staunte ich, als Alex, so der Kombifahrer, 20min später wieder bei uns war. Zwar mit Hund, aber ohne Auto. Festgefahren. Ob wir ihn
rausziehen könnten. Karmapolizei. Äh, ja klar. Ich bin nur gerade am kochen. Es war noch eine Stunde hell. Ich brach meine Kocherei ab. Auf Abschleppaktion im Dunkeln konnte ich verzichten.
Schnell alles nach draußen auf unseren Tisch gestellt, was durch die Gegend fliegen könnte, alle Schränke verschlossen und Motor gestartet. Keine 2km entfernt sahen wir auch schon das Auto halb
in der Luft hängend. Wie genau passiert sowas...? Egal. Wir hatten noch nicht mal ein Abschleppseil, nur meine "Wäscheleine". Ich hätte ja nicht gedacht, dass das hält. Aber funktionierte. Wir
konnten Alex aus seiner Graben-Situation befreien. (Das Video dazu gibt es hier zu sehen) Ende gut, alles gut: Alex konnte nach Hause fahren, und
wir konnten direkt essen, als wir zurück am Parkplatz waren: meine Nudeln, die ich einfach im heißen Wasser draußen auf den Tisch gestellt hatte, waren inzwischen gar, vielleicht ein bißchen zu
gar....
Kommentar schreiben
Shogun (Sonntag, 09 März 2014 17:02)
Tja, da kann ich dir nur beipflichten.
Diese Gegend um Monchique ist ein einziger Erlebnisspark.
Auch wir hatten ein Missgeschick in den Bergen.
Kurz vor Top off the Hill zog es unser Womo heftig nach links.
Mein erster Gedanke : Reifen kaputt :-(
Sofort nächste Möglichkeit rechts ran und...Reifen heile aber dafür die Felge glühend heiß.
Also die Hydraulikstützen ( schön wenn man sowas hat ) soweit ausgefahren, dass die Vorderräder schön frei baumeln können.
Diagnose: Bremse fest :-(.
Mindestens genauso blöd wie ein platter Reifen.
Mitten im gefühlten Nirgendwo und kein Handyempfang.
Glücklicher Weise löste sich die Bremse nachdem alles wieder erkaltet war und ich mit dem großen Radkreuz nachgeholfen habe.
Das Autochen wieder abgebockt, die Fuhre langsam am Steilhang gedreht ( Katrin sah recht blaß aus, da sie Angst hatte die Bremse würds ev. jetzt gar nicht mehr tun ) und dann gings wieder steil bergab retour Richtung Ferragudo.
Schön wenn man auch noch eine Retarderbremse hat und praktisch ohne klassisches Bremsen auskommt :-)
Jetzt stehen wir wieder am Hafen und werden morgen zu einer Werkstatt fahren.
Irgendwie sollen wir wohl noch ein bisschen hierbleiben.
Heute noch stürmisch und bewölkt, soll doch morgen wieder die Sonne scheinen und alles wird gut.
Hier und auch am Santa Clara Stausee.
lg aus Ferragudo
Ps.: Verrate mir bitte ganz leise euern schönen Platz wenn ihr dort wieder abgereist seid. Wir wollen diesen Geschichtsträchtigen Ort doch auch mal besuchen.
Wenn wir es bis dorthin schaffen sollten....
carlo (Montag, 10 März 2014 08:39)
Hei ihr 5,guter Bericht.Auch ich bin letztes Jahr da gestanden ca. 3Wochen.Bin leider nicht mehr in Ferragudo,muss aufs Haus 5 Huener und 1 Katze aufpassen fuer 2-3 Wochen (geht auch vorbei) LG Carlo NB:viel Glueck mit der Bremse Shogun