Irgendwo im Nirgendwo - ohne Strom

Ich habe heute den Teppich gefegt. Weder aus Frühsportgründen noch aus Spaß. Es war einfach nötig. Gut, ich hätte auch saugen können, aber so ohne Strom? Uns ist nämlich vor einer guten Woche der Spannungswandler kaputt gegangen. Gerade jetzt, wo wir endlich mal top ausgestattet sind mit zusätzlichem Solarkoffer, Batterie-Computer für Tills Verbrauchs- und Ladekontrollinteresse und wir endlich mal ohne Stromprobleme waren.

Früher gab´s das ja nicht. Weder beim Frosch, schon gar nicht beim Bully. Aber man will es ja immer komfortabler. Vor 10 Jahren auf Festivals noch gezeltet und regelmäßig abgesoffen, musste vor 8 Jahren zwingend ein Bully her. Der konnte nix außer einem trockenen bequemem Bett liefern und mich regelmäßig in Polizeikontrollen bringen aber trotzdem auch den Coolness-Faktor ein bißchen nach oben schrauben. Dank "Edgar", so sein Name, konnte die heimliche Liebe zufällig und ungeplant damit beeindruckt werden. (Die heimliche Liebe beeindruckte danach mich mit seinem Fuhrpark aus alten Benzen zurück, er und ich sind inzwischen verheiratet und haben zwei Kinder.)


Nach dem Bully kam der Frosch-LKW mit Luxus-Festival-Komfort: eine eigene (warme!) Dusche, ein Kühlschrank mit Gefrierfach (nie wieder Eiswürfelprobleme!) 500l Wassertanks, Dachterrasse (Festival-Überblick) und Solarpanels (Strom für den Kühlschrank). Aber keine Toilette. Aus Gründen. Jetzt nach eineinhalb Jahren im Bus und rückblickend auf diese große 2jährige Reise im Frosch-LKW nach Indien und zurück muss ich sagen, wir sind inzwischen verwöhnt. Sehr sogar.

Unser Wohnbus ist eine voll ausgestattete kleine Altbauwohnung. Wir haben alles. Inklusive Toilette und Waschmaschine. Und jetzt stellt euch mal vor, ihr habt plötzlich keinen Strom mehr bei euch zu Hause und könntet nur noch über euren 12v-Anschluss im Auto laden. Tagelang. Na? Nicht so ideal, oder?
Ich mag 220 Volt. Ich kann auch ohne sein, aber es nervt schon ein bisschen, wenn ich mein Notebook nur etappenweise laden kann, weil sich der Zigarettenanzünder-Stromwechsler alle 10 Minuten überhitzt abschaltet. Wie soll man dabei entspannt einen Film gucken? Ich habe kein 12 Volt Ladeteil. Leider hält der Akku meines Laptops nach eineinhalb Jahren auch nicht mehr länger als eine Stunde. It´s a Sony. Schick, aber wie alle elektrischen Hightech-Geräte einen Tag nach Garantie so gut wie kaputt.
Ich finde Strom auch sehr praktisch, wenn ich den Brot- oder wie gestern Kuchenteig einfach in meiner Küchenmaschine in 2 Minuten zu einem perfekten Teig geknetet haben möchte, statt innerhalb von 15 Minuten die totale Sauerei in der Küche zu haben, weil ich alles mit den Händen mische. Das Putzen schränkt meine Backlust doch sehr ein. Haben wir also den Stromwechsler nach Deutschland geschickt und hoffen, dass er morgen dort zur Reparatur eintreffen wird und man ihn schnellstmöglich wieder zurück zu uns schickt.

Die Zeit bis dahin harren wir wieder am Santa Clara See aus. Als wir zum ersten Mal hier angekommen sind, haben wir erst komisch geguckt, als uns unsere holländische Nachbar-Familie mit einem 2 jährigen Sohn erzählt hat, dass sie hier bereits seit 6 Monaten mit ihrem Hymer stehen und sie auch weiterhin hier wohnen wollen. Die nächsten Jahre… Was will man fernab der Zivilisation? Hier ist nichts außer einem See. Und einem Dorf. Zum Glück aber ein Sendemast für 3G Empfang. (Sonst wären wir nicht so lange hier.)
Sie haben sich sogar irgendwo im Wäldchen ein Gemüsebeet angelegt und wollen nächsten Herbst Tomaten ernten. Alles andere wird auf der kleinen Grünfläche vorm Camper vorgezüchtet.
Nach ein paar Wochen hier am See kann man sich schon eher vorstellen, warum man hier länger in seinem Camper leben möchte. Für die nächsten Jahre möchte ich das aber trotzdem nicht. Trotz imaginärem Zaun. Die Kinder bleiben in einem Umkreis von 50m und hauen endlich mal nicht ab. Und trotz netter Nachbarschaft. Hier wohnt nämlich Super-Gordi in seinem Bedford-Mobil:


Ein unglaublich lieber Typ, ebenfalls Dauer-Bewohner, und zudem auch unfassbar geduldig. Als würden ihm unsere Jungs nie auf den Wecker gehen. Er beschäftigt sich den ganzen Tag mit ihnen und teilt sogar sein Essen, wenn sie mal wieder vor seiner Tür rumlungern, während er kocht. Gestern hat´s geregnet. Und plötzlich klopfte es an der Bustür. Gordi. Mit 4 Pfannkuchen für uns. Einfach so. Nett oder? Daycare-Service und Catering – welche Mutter und welcher Vater würde darauf freiwillig verzichten, wenn sich das Reise-Leben plötzlich mal ein bißchen nach Urlaub anfühlt? Kein nerviges Hinterherrennen mehr. Die Jungs machen ihr Ding, wir machen unser Ding. Wir haben uns gegenseitig im Augenwinkel. Endlich mal alles easy. Wenn der Dauer-Regen nicht wäre und aus unserem Bus ein totales Irrenhaus macht. Die Wetteraussichten sind auch nicht gerade berrauschend und in dieser Sekunde fährt Gordi gerade für ein paar Tage weg…So fühlt es sich also an, wenn der Kindergarten Ferien macht…

Wir möchten das Urlaubsfeeling trotzdem so lange wie möglich erhalten. Gordi ist bestimmt bald wieder zurück. (Muss einfach.) Das bedeutet, wir versuchen den Moment der Abfahrt hinauszuzögern. Dieser Moment ist normalerweise da, wenn entweder das Wasser alle ist (dafür haben wir aber ja jetzt den See vor der Haustür) oder die Abwassertanks voll sind. Zwei Wochen konnten wir bisher maximal irgendwo bleiben. Diesen Zeitdruck hatten wir beim Frosch nie, ohne Abwassertanks kein Entsorgen. Heißt also: back to the roots! 

Wir tun jetzt so, als würden wir wieder in unserem alten LKW leben. Also meistens zumindest: Es gibt Eimer-Duschen "indian style" mit Seewasser, was vorher in der Solardusche von der Sonne erwärmt wird. Wir benutzen auch regelmäßig den Dutchoven zum Brot backen! Erstaunlicherweise mit sehr zufriedenstellenden Ergebnissen. Wir gucken kein Fernsehen. Wir lesen. Till ein Buch. Ich Twitter. Insgesamt ist „back to the roots“ ein wunderbares Projekt, denn man weiß hinterher diesen ganzen Luxus, vor allem das ausgestattete Badezimmer, wieder sehr zu schätzen. Wunderbar aber auch nur, weil es zeitlich sehr begrenzt ist und ich meinen Komfort bald wieder hab. Vor allem aber die fehlenden 220 Volt. Man könnte den Generator anmachen. Aber das passt ja irgendwie auch nicht. Für einen Moment auf Total-Öko machen und dann so ein Höllenteil anschmeißen. Deswegen leben wir jetzt für eine kurze Zeit etwas bewusster. Und mal ehrlich, das Ganze ist ja sowieso sofort wieder vergessen, sobald der reparierte Inverter wieder da ist....Ich hoffe, sie schicken das Baby bald los... 

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Kommentare: 3
  • #1

    marco (Montag, 31 März 2014 16:11)

    hallo zusammen, was hat er denn, weil einfach so gehen die dinger "normalerweise" nicht kaputt??? lg aus dem heissen goa, marco

  • #2

    Amelie (Montag, 31 März 2014 16:42)

    Wenn wir das mal wüßten, Till hat das Ding auseinander genommen. Nichts gesehen/gefunden. Ist aber auch kein 1000€ Teil.

  • #3

    Shogun (Dienstag, 01 April 2014 17:04)

    Da wird einem wieder bewußt, welchen Stellenwert die Energie für uns hat.
    Wir Reisenden, vom Kraftstoffverbrauch mal abgesehen, sind ja schon sehr genügsam. Nicht nur bei der Energie sondern auch beim Wasser.
    Ich glaube, wenn alle Menschen in einem Wohnmobil leben würden, wären die Ressourcen unseres blauen Planeten nicht so gefährdet.

    Wir sind übrigens jetzt in Nordportugal und haben leider auch.... Regen :-(
    Dafür schmeckt uns eure Möhrenmarmelade umso besser.
    Ein echt sonniges Orange auf dem Frühstückstisch kombiniert mit dem orientalischem Geschmack. Köstlich :-)