
Ich stieß im Internet heute auf ein sehr interessantes Thema. Die Vergesellschaftung auf engem Raum. Verrückterweise befand ich mich in einem Kaninchenforum. Wie auch immer ich hier her gekommen
war, es interessieren mich weder Kaninchen als Haustiere noch befürworte ich die Haltung dieser Tiere zum Zwecke des Schmusens oder Schlachtens. Das einzige Kaninchen, was mich je interessiert
hat, ist das von der Zeit getriebene Weiße bei Alice im Wunderland, aber darum soll es jetzt nicht gehen.
Ich steckte also in diesem Kaninchenforum. Und da ich nun schon mal dort war, schnupperte ich ein wenig herum. Ich war plötzlich mitten....
...in einer Geschichte von Fluffy, Molly und dem Kastraten. Bei den Kaninchen kam es sehr häufig zu Streitereien. Fluffy wurde verdächtigt. Trennen ist keine Lösung. Streithänsel hält man einige
Zeit auf sehr engem Raum. Huch - Kennen die uns? Oder gibt es uns in einem Paralleluniversum als Kaninchen-Familie? Wir leben zu viert mit Kastrat (Hund) auf 20qm. In dem Forum leben drei
Kaninchen auf 6qm und es geht verhaltenstechnisch ähnlich ab wie bei uns. Und deswegen möchte ich heute mal auf die Vorzüge vom "Leben auf engem Raum als Familie" aufmerksam machen:
Alles, was man braucht zum Glück, ist auf engem Raum vereint: Menschen, die sich lieben. Romantisch, isn´t it?
Leider hält der Romantik-Filter nicht ewig. Deswegen sieht die "Leben auf engem Raum" Realität eigentlich auch oft so aus: Man muss sich wirklich lieben, um es lange mit so wenig Platz
auszuhalten. Mit allem was dazu gehört. Auf unserer ersten Hippie-Trail-Reise waren Till und ich hauptsächlich im Romantik-Mode unterwegs. Nur zweimal gestritten. Jetzt haben wir Kinder. Und
jeder, der Kinder hat, weiß, was für Potential dahinter stecken kann. Bei uns kann keiner mal eben für 8 Stunden im Büro Luft schnappen gehen. Entsprechend muss man Konflikte aushalten können und
etwas von Harmonie verstehen, wenn die Ehefrau dann hin und wieder aus dem Schmollland abgeholt werden möchte. Oft kommt sie aber auch selber wieder angekrochen. Sie möchte dann gerne reden. Der
Mann eher weniger. Klassiker. Bisher folgte auf einen Streit immer wieder Versöhnung. Innige Versöhnung fällt allerdings aus. Kinder anwesend. Immer anwesend. Und wir sind ja auch nur im
Paralleluniversum Kaninchen.
Wir haben nur nützliche und wichtige Dinge dabei
Was machen Kaninchen eigentlich sonst den ganzen Tag? Sie sind genügsam und knabbern irgendwelche Grashalme. Als Langzeitreisender im eigenen Fahrzeug wird man ebenfalls genügsam. Alle erzählen,
dass sie am Anfang viel zu viel mit hatten. Jeder stellt unterwegs fest, dass man über die Hälfte gar nicht braucht und eh immer nur auf sein Basics-Programm aus wenigen Klamotten und wenigen
anderen Überlebensnotwendigkeiten zurückgreift. Jeglicher überschüssiger Kram wird zurückgeschickt oder verschenkt. Zuviel Gedöns im Fahrzeug nervt einfach. Es steht im Weg rum. Man räumt es von
A nach B und wieder zurück. Überflüssiges Zeugs nimmt Platz weg. Und man benutzt es nie. Nie, nie, nie! (Auch wenn ich immer noch daran glaube, dass mein Moment kommen wird, wo wir 20 Messer, 20
Gabeln und 20 Löffel brauchen!)
Das ist die erste Erfahrung, die man beim "Leben auf engem Raum" macht. Und die man sich unbedingt beibehalten will, auch wenn man wieder zurück ist im Alltag mit den hinterhältigen
Konsum-Fallen. Treuepunkte gegen das WMF-Besteck-Set eintauschen zum Beispiel.
Da wir mit 80.000km recht erfahren sind auf dem Gebiet der nützlichen Dinge für unterwegs, hat sich Till auch als Bastelprojekt ein Cajon mit nach Portugal genommen. Als Bausatz gefiel mir der
Karton hervorragend. Ich konnte ihn locker unters Bett schieben. Jetzt, im spielbaren Staubfänger-Zustand möchte ich das Cajon umgehend loswerden. Till meint, es wäre doch, neben dem
musikalischen Aspekt, auch ein toller Hocker. Weil wir ja nicht schon einen Hocker aus Indien, einen Hocker von Ikea und zwei Hocker zum Klappen mit uns herumfahren. Die Kinder finden diese
spanische Hocker-Trommel aber super. Wenn sie nämlich in das Loch rein rufen, hallt es so schön. Ist das ein Grund das Cajon zu behalten? Till meint ja. Muss ich erwähnen, dass wir in Indien
immer eine Gitarre mit an Bord hatten? Till kann immer noch nicht spielen. Jetzt haben wir eine Ukulele. Die passt wenigstens in seinen Schrank. Macht nichts. Kaninchen sind auch nicht übermäßig
musikalisch. So ist das mit den Dingen, die man definitiv nicht braucht und im Wohnraum Platz wegnehmen. Die einen verschenken. Wir verschenken auch. Aber meistens trennen wir uns räumlich. Der
Dachgepäckträger hatte am Anfang 3 Kisten. Wir sind inzwischen bei 9.
Statt aufräumen das Chaos wegatmen
Die Jungs werden leider auch zu Gedöns-Fans erzogen. Sie haben im Verhältnis zum Platzangebot im Bus so viel Spielzeug, dass wir grundsätzlich das Spielparadies für andere reisende Kleinkinder
sind. (Vielleicht nennt mich deswegen das holländische Nachbarskind seit ein paar Tagen "Mama" und hofft auf eine baldige Adoption?) Man kann sich also vorstellen, wie viel hier immer rumfliegt.
Aufräumen ist mit Kindern auf engem Raum eine Lebens-Aufgabe. Da kannst du nicht einfach die Kinderzimmertür zumachen und weg ist es. Irgendwann ist der Schrank auch voll, in den man immer
aufräumt. Man muss lernen die Ruhe zu bewahren, man gewöhnt sich irgendwann daran. Man hat den Gang um die Lego-Kiste im Flur verinnerlicht. Aus Witz hat Till dann vorgestern das große
Playmobil-Schiff, statt es noch irgendwie ins Regal zu stopfen, einfach neben die Kiste gestellt. Aber ich war nicht die einzige, die voll dagegen gerannt ist. Der Kastrat auch. Zum Glück wurden
die Kinder in 2m Entfernung durch den Lärm nicht wach. Auch so ein Aspekt beim Leben auf engem Raum. Aber spart wenigstens das Babyfon, wenn die Kinder so nah dran sind.
Der nächste Entwicklungs-Schritt ist übrigens auch gemacht: Theo möchte jetzt seine aufgebauten Lego-Schwimmbäder und Bauernhöfe mit Garagen am nächsten Tag auch noch bespielen. Das ist der
Moment für Wuuusaaa und Ohrenläppchen reiben. Und Atmen. Niemals atmen vergessen. Auch wenn die ganze Arbeitsplatte in der Küche jetzt voll steht mit Lego. Den Gin-Tonic kann man auch irgendwo
zwischen dem Schwimmbad und dem Pony-Stall mixen.
Lagerkoller - muss man erlebt haben!
Leben auf engem Raum erfährt seinen Höhepunkt, wenn es zwischendurch tagelang Stark-Regen samt Unwetterwarnungen gibt und somit das Außengehege für uns als Kaninchenfamilie nicht nutzbar ist.
Gäbe es keinen Regen würde man niemals in den Genuss eines echten Lagerkollers kommen! Und ich finde, das ist einer der 100 Punkte auf der Liste von Dingen, die man in seinem Leben erlebt haben
muss. Alleine dafür lohnt es sich als langzeitreisende Familie unterwegs zu sein. Es soll regnen? Fantastisch! Zickenkrieg und Gebrüll, wenn man sich so richtig auf die Nerven und nicht aus dem
Weg gehen kann. Da werden Hugo und Theo zu Fluffy und Molly. Der Kastrat flüchtet von vorne nach hinten, sein Geknurre wird ignoriert und wenn gar nichts mehr geht, findet er sich für einen
Moment im Regen wieder. Herrlich. Diese Stimmung immer. Da fliegen die Löcher aus dem Käse! Und nicht vergessen: vor den Kindern bloß nicht streiten. Bei uns als Vorzeige-Eltern funktioniert das
natürlich immer. Da streitet man sich auch nicht über den unwichtigsten Kleinkram. Nie. Bei uns scheint immer die Sonne. Auch bei Regen! Und wenn die Jungs dann, wie heute Morgen, friedlich in
ihren Ecken spielen und man den Frühstückshunger ignoriert, damit man dieses einmalige Idyll nicht unterbricht, dann hab ich sofort wieder die rosarote Romantik-Brille auf und sehe vor lauter
Herzen kaum mehr mein iPhone Display.
Mein Vater fragte, ob wir im Sommer in eine Wohnung ziehen wollen. Hallo? Ich liebe meinen Kaninchenbau! Wir lieben unseren Kaninchenbau. Und das wird so lange ausgereizt, bis alle nach eigenen
Zimmern lechzen! Und wenn wir dann irgendwann früher oder später sesshaft werden und uns auf üppiger Wohnfläche austoben können: Wetten, wir hocken dann immer noch alle zusammen auf einem
Quadratmeter? Weil´s nämlich doch so schön ist!
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molli (Dienstag, 08 April 2014 01:14)
Aha. Sahara-Sturmgewitter-Lagerkoller. In Marocco wär das nicht passiert. ;) Also Ferienwohnung statt Bus? Gar kein Fernweh mehr?
Amelie (Dienstag, 08 April 2014 10:10)
Niemals Ferienwohnung! Immer Bus!! :-))
Amelie (Dienstag, 08 April 2014 12:41)
Immer Fernweh. Aber ich glaube eher Richtung Asien. ;-)
Piers (Dienstag, 08 April 2014 15:59)
Hi Ihr Lieben,
wie immer: super geschrieben! Man findet sich irgendwie immer in Deinen Texten wieder...
Ganz schon große Giraffen habt Ihr in Santa Clara…:-) (Dachte ich im ersten Moment (Bild 19))
Claudia (Freitag, 11 April 2014 13:31)
Endlich schaff ich es mal auf eure Seite! Wir sind nun schon wieder seit einem Monat in D'schland... hildesheim um genau zu sein...und ihr seid in Santa Clara?? Grüße dorthin, das war auch unsere letzte längere Station vor Rückreise.
Euch zieht es noch nicht zurück oder? Hoffe aber auf ein Wiedersehen früher oder später...
Grüße an alle!